DIE WAHRHEIT: Stein oder Nichtstein
Neues aus der Südsee: Seit einem Unterwasservulkanausbruch vor Neuseeland treiben gigantische Mengen Bimssteine im Meer.
Das war zu erwarten: Nachdem im Südpazifik ein riesiger Bimssteinteppich auf dem Meer trieb, stufte Moody’s den Bimsstein aus der Kategorie „erstklassiger Stein“ zurück in die niedrigere Kategorie „Klumpen“. Was werfen die strengen Ratingrichter dem „losen Auswürfling“ („Meyers Konservationslexikon“) eigentlich vor?
Anstatt unterzugehen wie ein Stein, wie es sich gehört, und davor noch zwei-, dreimal aufzuditschen, bildeten die blasigen Bimsstein-Schaumlinge wahlweise einen „Teppich“ (Spiegel), eine „Bimssteinplatte“ (Hamburger Abendblatt) oder eine „Bimssteinscholle“ (Zeit) auf dem Meer. Leutnant Tim Oscar von der „HMNZS Canterbury“ nannte es treffend eine „bizarre Bimssteinmasse“. Diese war so groß, das man damit ganz Mecklenburg- Vorpommern hätte zudecken können.
Dass der Bimsstein weniger als Stein, sondern eher als blasiger Luftikus daherkommt, war selbstverständlich schon lange vor Moody’s herber Herabstufung aus der 1A-Gesteinsklasse bekannt. Schon im Jahr 1815 warf der indonesische Vulkan Tambora so viel Bimsstein ins Meer, dass noch Jahre später Schiffe auf schwimmende Bimsstein-Inseln stießen.
Meyers Konservationslexikon nennt 1874 den Bimsstein „eine blasige, schaumige Modifikation der glasigen, vulkanischen Gesteine“. Und weiter: „Gewöhnlich ist der Bimsstein so sehr mit Blasenräumen erfüllt, dass darauf die eigentümliche Erscheinung des Schwimmens auf dem Wasser“ beruht. Gepulvert sinkt der Bimsstein dagegen sonderbarerweise unter.
Unter den Pulvern ist der Bimsstein also immerhin steinartiger als unter den Steinen. Auch taugt der tuffige Bims zu allerlei, wozu man einen richtigen Stein nie benutzen möchte: Man kann damit auf Pergament und Papier radieren, die Alten schärften mit ihm ihre Schreibrohre, nachdem sie vorher damit die alten Schriften abgerubbelt hatten, um sie anschließend aufs Neue zu beschreiben.
Auch diente der Bims schon den alten Griechen zur rubbelnden Hornhautentfernung. Dazu kommt, dass der Bimsstein auch ein prima Baustein ist, leicht und praktisch obendrein: In den Bimssteinhäusern lässt man die Wände einfach im Badezimmer unverputzt und kann sich dort jederzeit bequem die Nägel abfeilen.
Als es noch waschechte Handarbeiter gab, griffen diese gern zur Bimssteinseife gegen festen Schmutz. Und was kann man nicht alles mit dem Bims abschleifen: Elfenbein, Holz, Metall, Glas und sogar Marmorstein. Auch als Katzenstreu und Zahnputzpulver dient uns der Bims, der früher auch Bums genannt wurde – so noch im Sprach-„Brockhaus“ von 1935. Der Duden weist verschämt auf die Bedeutung des Ausdrucks „bimsen“ (derb) für koitieren hin. Bimsen als Bumsen also.
Im rauen Alltag zeigt sich der Luftikus all den Gneisen, Grauwacken, Mergeln, Feldspaten und Specksteinen weit überlegen. Beliebter ist er allemal, auf Kreta wurde der Bimsstein sogar in kleinen Schälchen den Göttern geopfert. So etwas geht mit keinem anderen Stein, ohne den Zorn der Götter zu wecken. Die ehrerbietigen Kreter betrachteten übrigens den grauen Bimsstein als männlich und den weißen als weiblich.
Ihnen wäre nie in den Sinn gekommen, den Bimsstein als Stein zu kritisieren. Das hieße „aus Bimsstein Wasser zu pressen“ wie Kant schon in seiner „Kritik der praktischen Vernunft“ warnte. Niemals aber sollten wir nach der herabwürdigenden Herabstufung von Moody’s den Bimsstein schlicht einen „Bimsklumpen“ nennen, sondern jeden verbimsen, der an unserem nützlichen Luftikus herumkrittelt!
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