DIE US-BIOWAFFENFORSCHUNG FÜHRT IN GRENZBEREICHE DES ERLAUBTEN: Die verheimlichte Hysterie der Cowboys
Es ist immer die gleiche Malaise mit der US-Regierung. Sie macht, was sie für richtig hält, boykottiert und verhindert, was sie für falsch hält, und bringt auf diese Weise internationale Sicherheitssysteme ins Wanken. Zwar sind die Projekte zur Erforschung biologischer Waffen in den USA, die jetzt bekannt wurden, in ihrer Tragweite nicht mit dem jüngsten militärpolitischen Exzess gleichzusetzen – mit dem neuen Raketenabwehrprogramm gegen die „Schurkenstaaten“ und der damit einhergehenden Aufkündigung des ABM-Abrüstungsvertrages mit Russland. Und wenn die Angaben stimmen, die das US-Verteidigungsministerium und der Geheimdienst CIA jetzt über ihre Forschungsprojekte gemacht haben, dann waren die Beteiligten tatsächlich bemüht, die Tests in Übereinstimmung mit der Biowaffenkonvention von 1972 zu bringen. Ob ihnen das gelungen ist, ist allerdings fraglich.
Denn defensive und offensive Zwecke sind schwer auseinander zu halten. Die Herstellung einer Bombe, selbst wenn wichtige Bauteile fehlen und alles nur der Forschung dienen soll, bleibt ein Verstoß gegen die Konvention. Und die Produktion neuer Milzbrand-Erreger ist zunächst nichts anderes als die nach der Biowaffenkonvention verbotene Herstellung biologischer Kampfstoffe.
Nur löst diese Feststellung das Problem nicht. Der Sarin-Anschlag der Aum-Sekte auf die U-Bahn von Tokio im Jahr 1995 machte aller Welt deutlich, dass ein Einsatz chemischer oder biologischer Waffen nicht nur durch übelwollende Staaten erfolgen könne, sondern auch durch Terroristen. In den USA setzte der übliche Mechanismus ein, wenn Militärs und Politiker die Sicherheit von US-Bürgern bedroht sehen: Aufgeregt verbreiteten Medien und Politikberater unglaubliche Horrorszenarien, gegen die sich das Land augenblicklich schützen müsse, und zwar auf eigene Faust. Eine Haltung wie der überkommene Glaubensgrundsatz, nur privater Waffenbesitz garantiere individuelle Sicherheit: Weil die sich isolationistisch gebende US-Regierung nicht an die Wirksamkeit internationaler Abkommen zum eigenen Schutz glaubt, nimmt sie die Sache selbst in die Hand.
Damit geraten sie in Grenzbereiche des Erlaubten und führen die Abkommen schließlich ad absurdum. Man muss den US-Strategen gar keine heimlichen Offensivinteressen unterstellen – letztendlich ist ihr Beweggrund immer, dass die USA nicht akzeptieren können, sich den gleichen Regeln zu unterwerfen wie jene, die die US-Außenpolitik als „Schurkenstaaten“ begreift. Das aber, die Gleichbehandlung aller, ist der Kern verbindlicher Abkommen. BERND PICKERT
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