DIE REGIERUNG BENUTZT DIE DEUTSCHE BAHN FÜR IHRE INTERESSEN: Pech für die Bahnfahrer
Wettbewerb wird gerne als Allheilmittel gepriesen: gegen schlechte Qualität, gegen hohe Preise, gegen Ineffizienz. Alles Mängel, die man auch dem Nahverkehr der Deutschen Bahn vorwerfen kann. Und doch hat die Bundesregierung gestern beschlossen, dass Nahverkehrsstrecken in nächster Zeit nicht öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Stattdessen können die Bundesländer die gewünschten Strecken „freihändig“ beim Unternehmen ihrer Wahl bestellen. Das wird in den allermeisten Fällen weiterhin die Deutsche Bahn sein. Die plötzliche Angst vor Wettbewerb mit privaten Konkurrenten hat ihren Grund: Die Regierung braucht das Unternehmen Deutsche Bahn – zum Durchsetzen politischer Entscheidungen und als Konjunkturprogramm.
Denn Entscheidungen werden in der Verkehrspolitik nicht selten getroffen wie beim Kuhhandel: Die Bahn stimmt Politikerwünschen nach teuren Prestigeprojekten wie dem neuen Stuttgarter Bahnhof zu – auch wenn sie weiß, dass das Unternehmen dadurch auf Jahre hinaus belastet wird. Als Gegenleistung erwartet der Exmonopolist dann aber auch, bevorzugt zu werden – zum Beispiel bei der Vergabe von Nahverkehrsstrecken.
Auch ist die Deutsche Bahn AG einer der größten Arbeitgeber in Deutschland und tausende von Mechanikern und Waggonbauern hängen von ihr ab. Zwar fahren auch die Privatbahnen nicht ohne Lokführer und Schaffner. In der Regel sind sie sogar verpflichtet, Bahnmitarbeiter zu übernehmen. Doch fürchtet man in Berlin, dass Züge künftig in Spanien gekauft oder Verwaltungsstellen zu Connex nach Frankreich ausgelagert werden. Die Regierung wirft sich auch deshalb für die Bahn in die Bresche, weil jeder der 35.000 Bahnbeamten, der seine Beschäftigung verliert, sie teuer zu stehen kommt. Die Beamten aus der Zeit vor der Bahnreform können nicht entlassen werden und erhalten großzügige Vorruhestandsgelder.
Den Schaden tragen die ÖPNV-Nutzer: Sie werden weiterhin hohe Preise für oft verspätete Züge mit verdreckten Klos zahlen müssen.
KATHARINA KOUFEN
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