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DIE REGELN DER BISCHÖFE FÜR PÄDOPHILE PRIESTER REICHEN NICHT AUSErfolg der katholischen Laien

Nur zur Erinnerung: Etwa 200 bis 300 der rund 18.000 katholischen Geistlichen in der Bundesrepublik sind in Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen verwickelt – das schätzt der Essener Weihbischof Grave. Dennoch haben die Kirchenoberen das Thema jahrzehntelang verdrängt, wenn nicht gar vertuscht. Erst der weitaus größere Missbrauchsskandal in der US-Kirche schuf ein Problembewusstsein auch unter den hiesigen Oberhirten. In der Öffentlichkeit mied die Kirche das Thema, was die Opfer der Priester ein weiteres Mal demütigte. Und jeder Bischof verfuhr bei Missbrauchsfällen in seinem Bistum nach eigenem Gutdünken.

Endlich hat sich die Bischofskonferenz nun in Fulda auf gemeinsame Regeln geeinigt, wie mit verdächtigen oder überführten Pädophilen umzugehen ist. Zugleich wurde die Hilfe für die Opfer institutionalisiert und verstärkt. Die Beschlüsse der Oberhirten gingen nicht so weit, wie kritische Laienorganisationen gefordert hatten – sie sind aber radikaler, als zu befürchten war. Es liegt weiter in der Hand des einzelnen Bischofs, wie unabhängig die Opferberatungsstellen sein werden, die nun eingerichtet werden. Hier könnten neue Gefahren des Vertuschens lauern. Überführte Priester, das ist jetzt festgeschrieben, müssen eine Arbeit fern der Seelsorge mit Kindern und Jugendlichen erhalten – ein konsequenter Rauswurf aus der Kirche wäre besser gewesen. Eine Entschädigung der geschädigten Minderjährigen ist, anders als von den Laiengruppen gefordert, nicht als Regel für alle Bischöfe beschlossen. Hier muss man auf die weltlichen Gerichte hoffen.

Dennoch: Die Bischöfe haben, alles in allem, Lernfähigkeit bewiesen. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt den Laien, die jahrelang hartnäckig auf den verdrängten Skandal aufmerksam machten. Ihr Erfolg für die Opfer macht zugleich deutlich, wie wichtig Protest der Nichtgeistlichen vor den Mitren ist. In einer Befehls- und Gehorsamskirche, wie sie etwa dem Kardinal Meisner in Köln vorschwebt, hätte die Kirche noch Jahrzehnte weiter die Verbrechen in ihren Pfarrhäusern vertuscht. Jetzt, immerhin, gibt es Hoffnung für die Opfer. PHILIPP GESSLER

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