piwik no script img

DIE NEUE ÖKONOMIE FUNKTIONIERT WIE DIE ALTEErwartungen allein reichen nicht

Die „neue Wirtschaft“ ist keine aussichtsreiche Branche, sondern zu großen Teilen eine Modeerscheinung. Zu dieser Schlussfolgerung muss kommen, wer die jüngste Entwicklung bei den Internet- und Kommunikationsbetrieben betrachtet. Gestern rutschte der Aktienkurs der Deutschen Telekom AG unter den Wert, zu dem private Anleger die Papiere kürzlich erworben hatten. Die Deutsche Bank hatte mit einer ungewöhnlichen Maßnahme noch versucht, den Kurs zu stabilisieren, damit den Kleinanlegern nicht die Lust am Spekulieren vergeht. Es nützte nichts. Die wirtschaftlichen Aussichten der Telekom, deren Kurs zurzeit bei etwa 60 Prozent ihres früheren Höchstwertes steht, sind eben nicht rosig.

Politik, Öffentlichkeit, aber auch Ökonomen haben sich täuschen lassen, was die angeblich glänzende Zukunft der so genannten neuen Wirtschaft angeht. Der Internet-Modehändler Boo.com ging unlängst Pleite. Zu viele Schulden, kein frisches Geld. Die Kurse der meisten Software- und E-Commerce-Betriebe sind wieder da angekommen, wo der Boom im Herbst vergangenen Jahres begann. Selbst bei Branchenstars wie dem US-Online-Händler Amazon.com fragt die Fachwelt inzwischen, wie lange das an der Börse aufgenommene Kapital noch reichen wird. Plötzlich dämmert vielen Spezialisten eine vergessene Erkenntnis: Viele Firmen halten nicht das, was sie versprachen. Unternehmen überleben nur, wenn sie Gewinn machen. Diesen glücklichen Zustand wird jedoch die Hälfte der Internetbuden niemals erreichen.

Die neue Ökonomie ist zerbrechlicher als angenommen. Denn sie basiert ganz wesentlich auf der Aktienspekulation – und damit auf Psychologie, die bekanntermaßen sehr schwankend sein kann. Darauf eine Wirtschaftspolitik zu gründen, wie es die Bundesregierung tut, ist ein zumindest risikoreiches Unterfangen. Wenn SPD-Finanzminister Hans Eichel auf den Beitrag der Internet-Ökonomie zu Wachstum und Haushaltssanierung hofft, Arbeitsminister Walter Riester die neuen Internet-Arbeitsplätze schon einmal in seine Statistik einrechnet, könnte ihnen der nächste wirtschaftliche Trend eine herbe Enttäuschung bereiten.

HANNES KOCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen