DIE LEGITIMITÄT DER NEUEN US-REGIERUNG IST ZWEIFELHAFT: Die Machtergreifung von „Double-U“
Man muss kein Parteigänger von Al Gore sein, um Bushs Rede von Sonntagabend als Anmaßung zu empfinden. Da stellte der sich einfach vor die Mikrofone und erklärte sich selbst zum gewählten Präsidenten der USA. Siegesgewiss scheint er zu glauben, dass er so die Zweifler an der Legitimität seiner Präsidentschaft zum Schweigen bringen kann. Doch genau das wird nicht gelingen.
Stattdessen werden die Amerikaner nie wieder vergessen, dass in dieser Wahl nicht jede Stimme zählte. Die politischen und juristischen Winkelzüge der Republikaner werden genauso in das folkloristische Geschichtswissen eingehen wie die Umstände der Kennedy-Ermordung. Wie dort wird es nie an Verschwörungstheorien mangeln – gerade weil die Nachzählung in Florida durch die republikanische Innenministerin Harris vorzeitig beendet wurde.
Immer wieder wird sich das kollektive Gedächtnis an die Höhepunkte dieser Affäre erinnern. Nur einige davon: wie sich die Innenministerin Harris wehrte, das Nachzählen der Stimmen von Hand in Florida überhaupt zuzulassen. Wie ein Bundesrichter diesen Beschluss wieder aufhob. Wie Harris dann eine Frist festsetzte, die das Auszählen unmöglich gemacht hätte. Wie das Oberste Gericht Floridas dies wieder kassierte. Wie daraufhin Anwalt James Baker, einst Außenminister von Bush senior, maßlos das Gericht beschimpfte: „parteiische Rechtsbeugung“, „Usurpation der Macht“. Wie Baker dann ankündigte, dass sich die Republikaner über jedes Urteil und jede Stimmenzahl hinwegsetzen würden. Im Zweifel würden sie die Wahlmänner Floridas eben vom Landtag des Staates bestimmen lassen, wo die Republikaner die Mehrheit haben. Wie im entscheidenden Landkreis Palm Beach die nötige Fristverlängerung von ein bis zwei Stunden für die Stimmenauszählung von Harris nicht gewährt wurde ...
Das alles werden die Amerikaner nicht vergessen. Wie sich Bush zum Sieger in Florida und damit im ganzen Land gemacht hat – das hat seiner Selbstkrönung den bleibenden Ruch der Machtergreifung verliehen. PETER TAUTFEST
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