DIE IMMENSEN PROBLEME KÖNNTEN DEMOKRATEN IN SERBIEN BALD SPALTEN: Die Mehrheiten sind nur scheinbar stabil
Der künftige Ministerpräsident Zoran Djindjić steht vor riesigen Problemen. Die Arbeitslosigkeit liegt real zwischen 40 und 60 Prozent, der Strom fällt mitten im Winter ständig aus, der Status des momentan international verwalteten Kosovo ist zu klären – genauso wie das Verhältnis zu Montenegro. Der korrupte Staatsapperat muss reformiert werden, ohne dass sich auf die alten Kader ganz verzichten lässt . . . Nach 13 Jahren Krieg, Krise und Diktatur sind die Aufgaben so gewaltig, dass auch optimistischen Beobachtern schwindlig wird.
Die Demokratische Opposition Serbiens (DOS) hat rund 65 Prozent der Stimmen errungen. Djindjić kann also mit stabilen Mehrheiten rechnen – vorausgesetzt, DOS hält zusammen. Genau das ist aber das Problem. Denn das Einzige, was die traditionell zerstrittenen demokratischen Parteien bisher zusammenschweißte, war ihr Wunsch, Präsident Milošević zu stürzen. Mit nur 14 Prozent der Stimmen für Milošević’ Sozialistische Partei Serbiens darf dieses Ziel als erreicht gelten. Allerdings: Zusammen mit der rechtsextremen Radikalen Partei und der ebenfalls rechtsextremen Serbischen Einheit wird die Milošević-Partei eine ansehnliche Opposition stellen. Sollte sich auch nur ein Teil der 18 Parteien, die bisher in der DOS zusammengeschlossen sind, aus dieser Koalition lösen, würde die Opposition schnell beachtlich anwachsen.
Djindjić muss sich also bemühen, eine Auflösung der DOS zu verhindern – zumal die Wahlbeteiligung von weniger als 60 Prozent darauf schließen lässt, dass viele, die sonst Milošević’ Sozialisten zuneigten, diesmal nicht zu den Urnen gegangen sind. Wenn es der Reformregierung nicht gelingt, schnell greifbare Verbesserungen zu erreichen, dürfte sich die Wut des Volkes alsbald gegen Djindjić, Koštunica und die DOS richten.
Die Antidemokraten in Serbien wissen, wie hoch der Erwartungsdruck ist. Sie werden keine Möglichkeit auslassen, um die Arbeit der Reformer zu stören. Angesichts der Probleme und der zu erwartenden Widerstände kann man Djindjić und der DOS eigentlich nur zweierlei wünschen: Einheit und viel, viel westliche Hilfe. RÜDIGER ROSSIG
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