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DIE HUNGERSNOT IN ÄTHIOPIEN IST ERGEBNIS DER KRIEGSPOLITIK DES LANDESZynismus pur

Die äthiopische Regierung wollte, nachdem sie im Mai 1991 den Bürgerkrieg gegen das kommunistische Mengistu-Regime gewonnen hatte, alles anders machen. Sie ermöglichte Eritrea die Unabhängigkeit, um den 30-jährigen Bürgerkrieg zu beenden, und erklärte die Selbstversorgung des Landes mit Nahrungsmitteln zur obersten Priorität. Nun ist wieder alles beim Alten: Im Krieg mit Eritrea ist eine gütliche Einigung nicht in Sicht, und über die Bildschirme flimmern wieder die Bilder von ausgemergelten Menschen, die die stolzen Äthiopier so ärgern. Dabei war der Hunger in Äthiopien eine Katastrophe, auf die man warten konnte. Die äthiopische Regierung hatte das selbst gesteckte Ziel, ohne Nahrungsmittelhilfe auszukommen, seit ihrer Regierungsübernahme nur in zwei Jahren überhaupt erreicht, und in den drei letzten Jahren blieb der Regen am Horn von Afrika so gut wie aus. Die Folge: Vier Millionen Menschen – so viel wie in keinem anderen afrikanischen Land – mussten in Ähtiopien schon im vergangenen Jahr vom UNO-Welternährungsprogramm durchgefüttert werden. Der Regierung war das egal. Sie führte weiter ihren dummen und unnützen Krieg und leistete sich mit mehr als 500.000 Soldaten an der Front die bei weitem größte Armee Afrikas.

Dass der äthiopische Außenminister Seyum Mesfin auf dem EU-Afrika-Gipfel der vergangenen Woche in Kairo aber der „internationalen Gemeinschaft und Europa im Besonderen“ vorwarf, sie brauche „Skelette auf dem Bildschirm“, bis sie zur Hilfe bereit sei, ist starker Tobak. Der Krieg, den sein Land führe, habe damit nichts zu tun, führte er weiter aus, denn der Hunger herrsche in einer Region, wo nicht gekämpft werde. Mit welcher Selbstverständlichkeit die äthiopische Regierung auf der einen Seite eine Million US-Dollar täglich für Kriegsausgaben zum Fenster hinausschmeißt und auf der anderen Seite die Verantwortung für ihre Bevölkerung der „internationalen Gemeinschaft“ übergibt, kann man nur als zynisch bezeichnen.

So, als ob sie selbst gar nicht zuständig sei und einen Anspruch auf eine massive Hilfsaktion habe, während sie hartnäckig die knappen Ressourcen des Landes vernichtet. UNO-Generalsekretär Kofi Annan verteidigte am Sonntag die internationale Gemeinschaft gegen die Vorwürfe Mesfins und beschuldigte seinerseits die äthiopische Regierung, die „ausreichende Hilfe“ nicht schneller verteilt zu haben. Annan hatte in den letzten Monaten dem Westen vorgeworfen, auf Krisen in Europa und Afrika mit zweierlei Maß zu reagieren. Dass er nun das Bild zurechtgerückt hat, ehrt ihn. Er scheint zu wissen, dass Kritik nur von jemandem ernst genommen wird, der auch glaubwürdig ist.

PETER BÖHM

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