DIE Gesellschaftskritik: Oettis Übertrittszeugnis
WAS SAGT UNS DAS? Vor Amtsantritt in neuer Position muss Günther Oettinger noch in die mündliche Prüfung. Er hat Fleißpunkte gesammelt, aber sein Betragen blieb nicht immer ohne Tadel
Günther Oettinger wird in Zukunft nicht mehr der EU-Kommissar für Digitalwirtschaft sein. Auf seinem neuen Posten ist er für Budgetfragen und Human Ressources zuständig. Den bekleidet er auf Berufung durch Jean-Claude Juncker schon seit dem 1. Januar 2017. Trotzdem musste er am vergangenen Mittwoch noch einmal vor dem Haushalts- und dem Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments eine mündliche Prüfung ablegen, um ein Zeugnis zu erhalten. Im November 2016 hatte ebenjener Kommissar spekuliert, es könne eine „Pflicht-Homo-Ehe“ in Deutschland geben. Wie ist nun sein Betragen als Kommissar zu bewerten?
„Der Kommissar hat die nötige professionelle Erfahrung, um die Verantwortung zu tragen,“ schreibt Pavel Svoboda, Vorsitzender des Rechtsausschusses. Allerdings attestiert ihm Svoboda ein Fehlen einer strategischen Vision, was die Themen Gender-Mainstreaming und das Verhindern von Diskriminierung im EU-Personal angeht. Diese Lücken muss Oettinger schließen und er fängt auch gleich damit an. Auf Twitter verkündet er die Ernennung von Claire Bury zur stellvertretenden Generaldirektorin für Netzwerk und Technologie.
Die Vorsitzende des Kontrollausschusses Ingeborg Gräßle stellt fest: Oettinger sei gut vorbereitet gewesen und werde Maßnahmen seiner Vorgängerin Kristalina Georgieva fortsetzen. Dennoch kommt er auch hier nicht ohne Tadel weg. Gräßle äußert ihre Bedenken, was Oettingers Objektivität im Umgang mit Lobbygruppen angeht.
Damit ist unter anderem Oettingers Reise nach Budapest gemeint. Mit dem Kreml-nahen Geschäftsmann Klaus Mangold war er im Mai 2016 in dessen Privatjet zu einem Treffen mit Premierminister Viktor Orbán gereist. Die Reise sei aber von der ungarischen Regierung vorgeschlagen und bezahlt worden. Mit dem Geschäftsmann habe es kein Treffen gegeben, das einer Meldung vor der Europäischen Kommission bedurft hätte. Geschenke dürfen EU-Beamte nur bis 150 Euro annehmen. Auf Nachfragen nach seinem Verhältnis zu Lobbyisten betont er seine „völlige Unabhängigkeit“. Er habe „weder Aktien bei Energiegesellschaften noch bei Digitalunternehmen noch bei Autoherstellern“.
Bei der Anhörung ging es vor allem um die Einhaltung des Verhaltenskodex für EU-Kommissare. Hier attestiert ihm Pavel Svoboda ebenfalls Defizite. In derselben Rede, bei der die Spekulationen zur „Pflicht-Homo-Ehe“ in Deutschland aufkamen, hatte sich Günther Oettinger abfällig und rassistisch über chinesische Geschäftsleute geäußert. Er bezeichnete sie in seinem Vortrag als „Schlitzohren“ und „Schlitzaugen“.
Für diesen Ausfall hatte er sich bereits am Tag vor seiner Anhörung vor dem EU-Parlament noch einmal öffentlich entschuldigt. Auf Twitter schrieb er: „Es war nicht meine Absicht mit meinen Bemerkungen irgendjemanden zu verletzen & und ich entschuldige mich dafür.“ Sein Betragen ist nicht Oettingers Stärke. Immer wieder wird er auffällig. Seine Versetzung schien gefährdet. Also dafür fiel sein Zeugnis recht gut aus. Christoph Kürbel
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