DIE GROSSEN INDUSTRIEFIRMEN SIND BEI DER SPD GUT AUFGEHOBEN: Ausgerechnet Stoiber soll entfesseln
Eindringlich mahnt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Politiker zu Reformen an. Gestern legte er auch einen Zehnpunktekatalog vor. Der Inhalt war wie üblich: Steuern für die Unternehmen runter, Sozialbeiträge für die Unternehmen runter, Bürokratie für die Unternehmen runter. BDI-Chef Michael Rogowski nannte die kommende Bundestagswahl trotzdem eine „Richtungswahl“. Die SPD habe nicht das notwendige Maß an „Entfesselung“ erreicht, um Deutschland auf den Wachstumspfad zu führen.
Aber den Oppositionsführer Edmund Stoiber darf auch Rogowski nicht als Hoffnungsträger betrachten. Denn die CDU/CSU hat in den letzten Jahren ihrer Regierung eher noch weniger getan als die SPD jetzt. Zwar traute sich der BDI wegen der traditionellen Verbundenheit mit dem konservativen Lager nicht, das offen zu sagen, aber mancher Manager konnte das Ende der „Ära Kohl“ kaum noch erwarten. Und die jetzigen Wahlprogramme der beiden großen Parteien sind im Bereich Wirtschaft so unkonkret, dass ein Richtungsunterschied zwischen beiden nur noch von ausgewiesenen Polit-Schriftdeutern erkannt wird.
„Mehr Netto für alle“, fordert der BDI nun in bestem Werbedeutsch. Zumindest für die Unternehmen hat die derzeitige Bundesregierung das doch gut erfüllt: Sie senkte das Steueraufkommen der größeren und großen Firmen so weit, dass die öffentlichen Finanzen in Schieflage geraten. Was da in der Sicht der Konzerne eine andere Bundesregierung noch verbessern soll, bleibt schleierhaft. Sie könnte höchstens beim Tarif und im Kündigungsrecht noch das eine oder andere nachlegen. Etwas ganz anderes ist die komplizierte Rechtslage für Privatkaufleute und kleine Firmen. Die haben weder Zeit noch Geld, all die Chancen in Verordnungen und Gesetzen zu nutzen.
Aber das interessiert einen BDI nur am Rande. Denn seine Mitglieder haben alle ihre Bilanz-, Rechts- oder Lobbyabteilungen. Damit sorgen sie im Zweifelsfall sogar dafür, dass die Regierung nicht zu viel entfesselt: wenn etwa Deregulierungen den kleinen Wettbewerbern helfen könnten. Da interessiert dann auch der Zehnpunktekatalog des eigenen Verbandes wenig. REINER METZGER
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