DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK HAT DEN LEITZINS ENDLICH GESENKT: Übertriebene Erwartungen
Mehr als ein Jahr lang wurden Politiker und Börsenhändler auf die Folter gespannt – jetzt endlich hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen gesenkt, und zwar immerhin um einen halben Prozentpunkt. Tatsächlich tut die Bank gut daran, Kredite deutlich billiger zu machen, denn alles andere wäre ein falsches Signal. Doch hat die Erfahrung gezeigt: Die Erwartungen an die Heilkraft einer Zinssenkung sind völlig übersteigert. In Japan kosten Kredite mittlerweile gar nichts, und trotzdem erholt sich die Wirtschaft nicht. Und auch in den USA haben die zahlreichen Zinssenkungen im letzten Jahr kaum etwas gebracht.
So könnte es auch dem Euroraum gehen. Schließlich galt als klar, dass die EZB die Zinsen senken würde. Aktienhändler, Banken und Investoren hatten diesen Schritt bereits in ihre Prognosen eingespeist. Die Wirkung schlug sich in einem leichten Anstieg der Börsenkurse nieder, vielleicht hat der eine oder andere Investor in den letzten Tagen etwas optimistischer geplant, als er es sonst getan hätte. Doch das ist minimal. Der Erfolg des EZB-Entscheids liegt vielmehr darin, dass die Finanzwelt diesmal nicht enttäuscht wurde und dass das Geschäftsklima nicht noch schlechter wird.
Darüber hinaus heißt eine Leitzinssenkung der Zentralbank noch lange nicht, dass die Kredite für jedermann billiger werden. Zunächst können nur die Geschäftsbanken sich billiger Geld bei der EZB in Frankfurt leihen.
Normalerweise geben sie diese Vergünstigung recht schnell an die Banken und Sparkassen weiter. Derzeit aber befinden sich einige Banken ziemlich in der Bredouille. Sie haben im letzten Jahr schlecht gewirtschaftet, hatten hohe Ausfälle wegen fauler Kredite und Firmen, die Pleite gingen. Gut möglich, dass diese Banken die Differenz zwischen den Zinsen, die sie selbst zahlen, zu den Zinsen, die sie für Kredite an Firmen und Privatleute verlangen, zur eigenen Sanierung nutzen.
Und nicht zuletzt ist die Zinshöhe nur eines von vielen Kriterien für das Verhalten von Anlegern und Investoren. Viel wichtiger ist das Vertrauen in eine solide Wirtschaftspolitik und in eine baldige Erholung der Konjunktur. Für beides gibt es im Moment wenig Anlass. KATHARINA KOUFEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen