DIE ERFAHRUNG LEHRT: MILITÄRISCHE SCHLÄGE TREFFEN STETS DIE FALSCHEN: Mit der Bombe auf die Stecknadel?
Seit dem großen Angriff warten alle gebannt auf den amerikanischen Gegenschlag. Einerseits, da es sich hier um die Verteidigung der Zivilisation gegen die Barbarei handelt. Und andererseits, weil die schlimmsten Befürchtungen zu hegen sind über die Art dieses Schlages. Deshalb hat sich alle Welt (mit Ausnahme des Irak und Afghanistans) beeilt, auf Seiten der Zivilisation zu stehen. Manche, wie die Europäer, waren dabei etwas schneller, andere waren langsamer und verbanden ihre Unterstützung mit Bedingungen und Warnungen.
Ein wenig verdeckt wird bei so viel geharnischtem Zusammenstehen, dass ein massiver Militärschlag der Versuch wäre, die Stecknadel im Heuhaufen mit einer Bombe zu treffen. Denn gesucht werden Einzelpersonen und kleine Grüppchen, die zwar ein Netzwerk gebildet haben, aber in der ganzen Welt verteilt sind und in ihren Aktionen vermutlich über eine gewisse Autonomie verfügen. Zum Teil erhalten diese terroristischen Gruppen zwar Unterstützung durch sympathisierende Regierungen, und diese sind fraglos durch militärische Repressalien zu erschrecken. Bombardierungen jedoch treffen zumeist die Falschen oder das Falsche – wie der US-Angriff auf die Pharmafabrik im Sudan gezeigt hat. Ferner sind durchaus nicht alle Regierungen im Bilde, wer sich in ihren Ländern versteckt hatte – Herrn Schily wäre Sympathie mit Terroristen wohl kaum zu unterstellen.
Schließlich aber offenbart sich in der Suche nach Terrorsympathisanten die ganze Scheinheiligkeit des Zusammenhalts der „zivilisierten Welt“: Die Taliban wurden in den Achtzigerjahren von den USA unterstützt. Heute sind sie das personifizierte Böse. Saudi-Arabien, ein Verbündeter der USA, ist neben Pakistan das einzige Land, das die Taliban-Regierung anerkannt hat. Hat man von Druck auf das saudische Herrscherhaus gehört? Zwei der mutmaßlichen Flugzeugentführer stammen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten – aber wurden bereits Drohungen gegen die Emire, die Herrscher über das schwarze Gold, bekannt?
Ein militärischer Schlag gegen Afghanistan wäre ein symbolischer Akt, der das Rachebedürfnis der Amerikaner wohl fürs Erste befriedigen würde. Ussama Bin Laden, der sich vermutlich in irgendeiner unzugänglichen Höhle des Hindukusch versteckt, würde ihn wohl überleben. Im Gegensatz zu vielen unbeteiligten Afghanen. Wenn sich der Rauch dann verzogen hätte, stünden immer noch fast alle auf Seiten der Zivilisation. Nur das Problem wäre dasselbe wie zuvor. ANTJE BAUER
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