DIE EINGRIFFE DES STAATES IN DIE RECHTSPRECHUNG HÄUFEN SICH: Gefährliche Justizminister
Wir alle müssen umdenken. Bislang haben uns Richter und Anwälte eingehämmert, nur ein eigenständiges Justizressort sei ein wirksamer Schutz gegen politisch motivierte Eingriffe in die Rechtsprechung. Versuche, das Justizministerium mit anderen Ressorts zusammenzulegen, wurden deshalb gnadenlos bekämpft. Erst jüngst konnten Anwaltsverein und Richterbund triumphieren. Harald Ringstorff, der Schweriner Ministerpräsident, hatte nach einem Jahr eigener Verantwortung wieder einen Justizminister ins Kabinett berufen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Länder, in der es keine Skandale um die Justizminister gibt, täglich ab. Zuletzt rückte Thüringens Andreas Birkmann (CDU) ins Zwielicht. Die Staatsanwaltschaft wollte das Wirtschaftsressort des Landes durchsuchen und bat um äußerte Geheimhaltung. Birkmann rief prompt seinen Amtskollegen an und petzte.
Das ist kein Einzelfall. Der sächsische Justizminister Heitmann etwa musste zurücktreten, weil er Verfahren gegen CDU-Politiker zur Chefsache gemacht und Informationen parteiintern weitergegeben hatte. Auf diesen Schritt warten wir noch bei Christean Wagner (ebenfalls CDU), seinem hessischen Amtskollegen. Er ist mit dafür verantwortlich, dass Akten der Hessen-Union nicht vollständig an den Berliner Untersuchungsausschuss überstellt werden. So sind unsere Justizminister. Effizient und zielstrebig wahren sie die Interessen ihres Ressorts – und ihrer Partei. Das gilt nicht nur für CDU-regierte Länder. Kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen wurde das Haus des CDU-Abgeordneten Ronald Pofalla durchsucht, was sich später als rechtswidrig herausstellte. Justizminister Jochen Dieckmann (SPD) entschuldigte sich – und entließ seinen Generalstaatsanwalt.
Wissen die Herren Justizminister nicht, welches Vertrauen Richter und Anwälte in ihre angeblich „unpolitische“ Amtsführung setzen? Weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in den beiden anderen Ländern ohne eigenes Justizressort, Bremen und Berlin, gab es zuletzt Skandale. Eigenständige Justizminister haben wohl einfach mehr Zeit für ihr Amt . . . CHRISTIAN RATH
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