DIE AKTIVE STERBEHILFE WIRD IN DEN NIEDERLANDEN ZU RECHT LEGALISIERT: Der gute Tod
Aktive Sterbehilfe ist in Holland ab heute legal, sollte gestern Abend das Oberhaus des Parlaments wie erwartet dem Gesetzentwurf zugestimmt haben, der bereits im November vom Unterhaus mit großer Mehrheit abgesegnet wurde. Seit sieben Jahren bereits wird in Holland Sterbehilfe an Menschen im letzten Stadium ihrer Krankheit geduldet, wenn sie das selbst ausdrücklich wünschen.
Die Legalisierung dieser Praxis ist keineswegs ein Freibrief zum Töten „lebensunwerter“ Menschen, wie dies in der deutschen Debatte um Sterbehilfe oftmals behauptet wird. Auch will die Mehrheit der Parlamentarier sicherlich nicht das Recht auf Selbstbestimmung des Einzelnen bis in den Tod ausdehnen. Es geht vor allem um die Rechtssicherheit für Ärzte, die schon jetzt jährlich zwischen 2.300 und 3.600 Fälle aktiver Sterbehilfe melden, aber aus Furcht vor „Ärger mit den Behörden“ vermutlich noch mal so viele nicht melden.
Zum Verständnis: „Euthanasie“ (zu Deutsch „der gute Tod“) ist in Holland im Prinzip auch weiterhin strafbar! Allerdings wird in Zukunft ein Arzt nur noch belangt, wenn er die minuziös ausgearbeiteten Sorgfaltskriterien nicht erfüllt hat. Auch der oft gehörte Vorwurf, in den Niederlanden regiere die „Ethik des Tierarztes“, die Politik investiere zu wenig in Schmerzbekämpfung und Sterbebegleitung, geht ins Leere. Die Regierung Kok hat dieser Sorge christlicher Gruppierungen Rechnung getragen und eine sofortige Aufstockung der Mittel für die Palliativmedizin in Aussicht gestellt.
Nirgendwo sonst auf der Welt ist aktive Sterbehilfe erlaubt, nirgendwo sonst auf der Welt gehen Ärzte so gewissenhaft mit der Hilfestellung bei der Beendigung unerträglicher Leiden ihrer Patienten um wie in Holland. Eben weil die dort Euthanasie genannte Praxis strengen Sorgfaltskriterien unterliegt. Eben weil die ganze Welt von Nazipraktiken und einer „Aufhebung des christlichen Tötungsverbots in einem Kernland Europas“ salbadert (Die Welt). Und eben weil immer wieder die Mär die Runde macht, auf Hollands Krankenstationen liefen Ärzte unentwegt mit der Giftspritze durch die Gänge auf der Suche nach „unwertem Leben“.
Das Gesetz geht nicht auf die Idee einer liberalen Mehrheit weit gehend säkularisierter Politiker zurück, sondern entspricht dem Wunsch der meisten Niederländer, die das Recht haben wollen, im extremen Krankheitsfall selbst über den Zeitpunkt ihres Todes zu bestimmen. Die Praxis hat gezeigt, dass todkranke Krebspatienten mit einer lebensbeendenden Pille im Nachtschrank davon keinen Gebrauch machten. Es reichte ihnen die Gewissheit, in Not unabhängig zu sein. HENK RAIJER
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