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DFB-Treffen in ErfurtAnruf in Gonsenheim

Der Deutsche Fußballbund veranstaltet einen „Bundestag“, der nur eine Botschaft vermitteln soll: Präsident Grindel hat alles im Griff.

Soll nun im Amt bestätigt werden: Reinhard Grindel Foto: dpa

Erfurt taz | Erst kürzlich hat Reinhard Grindel selbst zum Telefonhörer gegriffen. In der Mainzer Allgemeinen Zeitung hatte der DFB-Präsident einen Artikel gelesen, in dem sich Joachim Mayer, der Vorsitzende des Südwest-Oberligisten SV Gonsenheim, bitterlich beklagte. Über die erdrückende Übermacht der Profis, die mit ihren vielen Sonntagsspielen den Amateuren die Zuschauer wegnähmen. Und mit dem neuen Fernsehvertrag für die Bundesliga werde ab 2017 alles nur noch schlimmer.

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) überzeugte den Klageführer nicht nur mit einem überraschenden Anruf, sondern auch mit eigenen Nachforschungen. Was das Oberhaupt im Vorfeld des 42. ordentlichen DFB-Bundestags in Erfurt damit demonstrierte: Für einen, der vor nicht allzu langer Zeit selbst bei einem Verein wie dem Rotenburger SV in seiner norddeutschen Heimat im Vorstand mitgearbeitet hat, sind die Probleme an der Basis des Fußballs nicht fremd. Eine Vereinigung von rund sieben Millionen Mitgliedern kämpft nach innen wie außen um ihre Glaubwürdigkeit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schlägt sich in schwierigen politischen Zeiten ein Zeitfenster frei, um heute beim Festakt im Theater der Landeshauptstadt Thüringens die Laudatio auf einen neuen Ehrenspielführer zu halten. Grindel gefällt diese Aufwartung; der CDU-Politiker hat sich mitten in einer globalen Vertrauenskrise der Sportfunktionäre an die Spitze der größten Organisation wählen lassen.

Der 3. November ist zudem ein besonderes Datum: Vor einem Jahr machte die Steuerfahndung der Verbandszentrale in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise ihre Aufwartung – der DFB war endgültig Teil eines Skandals geworden.

Nach Gutsherrenart und Gutdünken regiert

Auf den damaligen Schatzmeister konnten sich später alle Lager irgendwie am schnellsten einigen, nachdem die Enthüllungen zum Sommermärchen 2006 seinem Vorgänger Wolfgang Niersbach den Job gekostet hatten. Dass Grindel am Donnerstag das Votum der 260 Delegierten erhält, um nun offiziell in eine dreijährige Amtszeit zu gehen, gilt als sicher.

Der gebürtige Hamburger hat schnell gelernt, wie in diesem Metier die Lobbyarbeit geht. Und der 55-Jährige hat gemeinsam mit dem neuen Generalsekretär und promovierten Juristen Friedrich Curtius („Wenn ich morgens um sieben Uhr im Büro bin, bin ich fast schon der Letzte“) einiges bewegt. In Windeseile wird nun eine Ethikkommission implantiert, deren fünf Mitglieder am Freitag gewählt werden. Grindel freut sich auf „hervorragend qualifizierte“ Köpfe, die genau wie ein neues Compliance-Management-System für Transparenz stehen sollen. „Wir tun alles, um unsere Kontrollmechanismen zu verstärken.“

Wir tun alles, um unsere Kontroll-mechanismen zu verstärken

DFB-Chef Reinhard Grindel

Vorbei die Zeiten, dass nach Gutsherrenart und Gutdünken regiert wird. Die dubiosen Zahlungsflüsse rund um die WM 2006, deren Sinn und Zweck der Freshfields-Report speziell bei den in Katar beim abgetauchten Mohamed bin Hammam versandeten 6,7 Millionen Euro bis heute nicht geklärt ist, waren nur möglich, weil die Finanzen verbandsintern wie „ein Buch mit sieben Siegeln“ (Grindel) behandelt wurden.

DFB-Akademie wird teurer

Mittlerweile wird der jährliche Finanzbericht ins Internet gestellt. Man will zeigen: Wir haben verstanden. Die Grundreinigung löst aber nicht alle Grundsatzprobleme, war jedoch überfällig. Der ADAC habe dafür zwei Jahre gebraucht, wir machen es in sechs Monaten, heißt es. Einher gehen im Hintergrund des 300 Mitarbeiter starken Verbands tiefgreifende Strukturen, um den ideellen und wirtschaftlichen Bereich besser zu trennen. Die drei eigenständigen Tochtergesellschaften (DFB-Medien, DFB-Online und DFB-Wirtschaftsdienste) werden künftig in einer (Sales & Services) zusammengefasst.

Drei wichtige Verträge sind pünktlich verlängert worden: der den Geldfluss zwischen DFB und DFL regelnde Grundlagenvertrag bis 2023, der dem Verband nun 50 statt 25 Millionen Euro jährlich garantierende Ausrüstervertrag mit Adidas bis 2022 und schließlich das Arbeitspapier mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2020, was laut Grindel „alle überflüssigen Diskussionen“ erstickt. Der instinktsichere Strippenzieher weiß ja, welche Schlüsselrolle der mediale Betrieb inzwischen einnimmt.

Und weil ja in der geschwätzigen Branche halt doch zu viel durchsickert, geht er offen damit um, dass der ursprüngliche Kostenrahmen für die neue Akademie inklusive neuer DFB-Heimat – neben dem Masterplan Amateurfußball und der Bewerbung für die Europameisterschaft im Jahre 2024 eins von drei großen Zukunftsprojekten – nicht zu halten sein wird. 109 Millionen Euro reichen nicht, soll der Entwurf des ausgesuchten Architekturbüros umgesetzt werden. Ursprünglich sollte der gesamte Bau, wegen einer Klagewelle des auf dem Gelände in Frankfurt-Niederrad ansässigen Rennclubs ohnehin deutlich verzögert, mal 89 Millionen Euro kosten.

Die Preisexplosion muss der breiten Basis noch erklärt werden. Mit einem einfachen Anruf ist es nicht immer getan.

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1 Kommentar

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  • Wenn man sich die diversen Anträge anschaut, dann ist da nicht viel "Spektakuläres" dabei - an "Neuem" sicherlich die "Ethik"/"Compliance"-Klamotte, bei deren modischer Ausformung der DFB aber nur allgemeine Nachhut der allgemeinen Entwicklung spielt. Als Vorhut für irgendwas zu agieren war aber dem typisch deutschen DFB ohnehin noch nie gegeben.

     

    Was ich an den Anträgen ganz gut finde ist das erkennbare starke Bemühen, im Nachwuchs- und Jugendbereich immer wieder nachzubessern und zu optimieren. Da steckt erkennbar sehr viel Mühe und Arbeit drin. Und es gibt ein Feld, das anscheinend nun endlich angepackt wird: die endgültige Angleichung der 2. Frauen-Liga an das Männer-System steht endlich bevor. Das wurde/wird bitter Zeit, denn wie etliche Spielerinnen und Funktionäre in den diversen letzten Saisons haben deutlichst erkennen können/müssen, ist der Qualitätsabstand zwischen 1. Frauen-Bundesliga und den zweiten Ligen viel zu groß. Es ist natürlich auch ein gutes Zeichen für den Frauenfußball, dass man nun auch wirklich in der Tiefe optimieren kann - setzt es doch einen ausreichenden Unterbau voraus.

     

    Am Rande notiert: Kellermanns Ko in Wolfsburg, Ariane Hingst, hat nun wohl auch den A-Schein. So langsam aber sicher kommen da neben der sehr überzeugenden Inka Grings doch einige echte Top-Leute an die Schalthebel.