DEUTSCHLANDS INNENMINISTER SCHICKEN BOSNISCHE FLÜCHTLINGE HEIM: Ein Exempel an Wehrlosen
Es ist unfassbar. Statt den verbliebenen rund 35.000 bosnischen Kriegsflüchtlingen endlich ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen, haben die Innenminister der deutschen Länder beschlossen, dass alle Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in ihre Heimatländer zurückkehren müssen. Lediglich schwer traumatisierte Menschen dürfen nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz für weitere zwei Jahre bleiben – vorausgesetzt, sie lassen sich von einer staatlichen Stelle überprüfen, die etwa in Berlin für die rund 800 dort lebenden Fälle extra eingerichtet werden muss.
Rational betrachtet ist der Entschluss völlig unverständlich. Über die ursprünglich rund 350.000 bosnischen Flüchtlinge haben sich während ihres Aufenthalts nicht mal die offen ausländerfeindlichsten Teil der deutschen Rechten beschwert. Die Bosnier sind weder bekannt für Kriminalität noch für Schwarzarbeit, Prostitution oder sonst irgendeine der „typischen“ Sünden von Migranten. Mehr als 90 Prozent von ihnen haben die Bundesrepublik in den fünf Jahren seit Ende des Krieges verlassen, ohne dass es dabei zu größeren Problemen gekommen ist. Und: Dank einer vom UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR und anderen humanitären Verbänden herausgebenen Studie ist mittlerweile klar, dass die Bosnier uns keinen Pfennig gekostet haben. Im Gegenteil, die von den Flüchtlingen gezahlten Steuern übertreffen die Leistungen, die sie in Anspruch genommen haben.
Aber selbst, wenn dem nicht so wäre: Für die reiche Bundesrepublik und ihre rund 80 Millionen Einwohner sollte die langfristige Aufnahme von 35.000 Menschen kein Problem sein. Wenn aber keine wirtschaftlichen Gründe gegen ein unbefristetes Bleiberecht für die paar armen Teufel vom Balkan sprechen, die auch nach fünf Jahren noch nicht über ihre Erlebnisse in einem grauenhafen Krieg hinweggekommen sind – was ist es dann?
Es drängt sich der furchtbare Verdacht auf, dass die deutschen Innenminister an den Bosniern ein Exempel statuieren wollen. Was mit den Menschen in ihrer „Heimat“ passiert, ist ihnen dabei ganz offensichtlich egal – obwohl die katastrohalen Zustände in Bosnien fast täglich in den deutschen Medien beschrieben werden. Für die Innenminister zählt einzig, dass die kriegstraumatisierten Menschen durch sanften Druck und die definitive Zerstörung jeder Hoffnung auf einen sicheren Aufenthaltstitel in ihr kriegszerstörtes Land zurückgehen – als warnendes Beispiel für andere arme Teufel, die auf die Idee kommen könnten, bei uns Schutz zu suchen. Es macht Angst, in einem Land mit solchen Ministern zu leben. RÜDIGER ROSSIG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen