DER WESTEN REDET WIEDER ÜBER WERTE – UND VERGISST DIE AFGHANINNEN: Untermensch Frau
Alles so vorhersehbar. Da spricht gestern Kanzler Schröder, dass die „Würde des Menschen international durchzusetzen ist...“, beklagt „die namenslose Barbarei, der in New York und Washington Tausende zum Opfer gefallen sind.“ Sagt zu, keinen Millimeter der „Werte von Freiheit, Solidarität, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit preiszugeben“.
Doch kaum sind die rhetorischen Räucherstäbchen verflogen, fällt auf: Mal wieder keine Silbe zur Würde der Menschen in Afghanistan. Keine Silbe zur Barbarei, der insbesondere Afghaninnen seit der Machtübernahme der Taliban zum Opfer gefallen sind. Vergewaltigt, ermordet, hingerichtet, verhungert, in den Selbstmord getrieben. Blair, Bush – dieselbe Asymmetrie der Wertediskussion.
Bei jedem Gespräch mit dem autoritären Pakistan oder den Männerbünden der Nordallianz, bei jedem Kooperationsangebot einer männerbündischen Nach-Taliban-Administration, bei jeder Blitzkonsultation mit unseren neuen Allierten, den Diktatoren Zentralasiens, soll ausgesprochen werden: Der Westen will a u c h dazu beitragen, dass die mörderische Frauenunterdrückung in Afghanistan endet. Keine Aufbauhilfe, keine diplomatischen Umarmungen ohne diese Agenda.
Nochmal für alle Kanzler- und Außenministerberater, Talk-Show-Gäste und Kommentatoren. Nochmals für alle rot-grünen Politikerinnen, die das ebenfalls „vergessen“: Der Frauenhass der Taliban ist faschistoid, zielt auf die Auslöschung eines Geschlechtes per Gesetz. Die Frau als Untermensch, die es körperlich und seelisch zu kontrollieren und zu brechen gilt.
Eine Burka ist nicht eine rückständige Kleiderordnung, sondern macht aus Frauen blindes, hilfloses, konturloses Vieh. Den Frauen weder Arbeit noch Bildung zu erlauben, heißt sie materiell und seelisch verrotten zu lassen. Ihnen Krankenhäuser und Ärzte zu verweigern, heißt sie zu töten. Die Taliban beherbergen eben nicht nur Ussama bin Laden und seine Dämone. Sie haben ihre eigenen Bürgerinnen zur Hölle verdammt. Das gehört in unsere Wertediskussion. SONIA MIKICH
ARD-Korrespondentin in Paris
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