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DER NEUE PRÄSIDENT ARGENTINIENS MACHT NUR HOHLE VERSPRECHUNGENDie Lektion des Kochlöffels

Es war ein Bild mit Symbolwert: Der weiße Hubschrauber startet vom Dach des Präsidentenpalasts Casa Rosada. An Bord ist der zurückgetretene argentinische Präsident Fernando de la Rúa. Im selben Moment liefern sich auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast Demonstranten eine erbitterte Straßenschlacht mit der Polizei. Diese Bilder sind seit etwas mehr als einer Woche Geschichte. Aber sie enthalten für künftige Regierungen eine wichtige Lektion: Die Argentinier sind fähig, einen Präsidenten zu stürzen, falls dessen Politik unerträglich wird. Darüber sollte sich der neue argentinische Präsident, der Peronist Adolfo Rodríguez Saá, im Klaren sein.

Und er sollte auch verstehen, dass die Demonstranten, die vor einer Woche mitten in der Nacht vor dem Präsidentenpalast spontan mit Löffeln und Töpfen lärmten, zwar de la Rúa aus dem Amt jagen wollten, sich aber nicht die Peronisten an die Macht wünschten. Denn es war die Justizialistische Partei (PJ) der Peronisten, die mit Carlos Menem (Präsident von 1989 bis 1999) den neoliberalen Umbau des Staates vorantrieb und damit die sozialen Unterschiede vergrößerte. Es waren auch die Peronisten, die ungeniert in die eigene Tasche wirtschafteten und Politik als Privatgeschäft verstanden. Aber in Argentinien gibt es nur zwei Parteien mit Chancen, den Präsidenten zu stellen: die Peronisten und de la Rúas Radikale Bürgerunion (UCR). Nach dem Kollaps der UCR ist die Präsidentenbinde wieder an die Peronisten gefallen. Dies geschah eher durch Zufall denn durch eigenes Zutun der heillos zerstrittenen Partei.

Aber Rodríguez Saá strahlt, als hätte er eine Wahl gewonnen, und verspricht Fantastisches, als sei er im Wahlkampf. Er will zeigen, dass er im Vergleich zu de la Rúa ein Macher ist. Doch hinter seiner entschlossenen Fassade steckt nichts als blinder Populismus: Das von ihm ausgerufene Schuldenmoratorium ist nur die Anerkennung der Realität. Die Einführung einer dritten Währung ist ein Taschenspielertrick, weil er sich aus Rücksicht auf die starken internationalen Wirtschaftslobbyisten nicht traut, die Peso-Dollar-Parität zu lösen. Und sein Versprechen, eine Million Arbeitsplätze zu schaffen, ist glatter Hohn. Eine grundlegend neue Wirtschaftspolitik, die auf gerechtere Verteilung setzt, hat er bislang noch nicht entworfen.

So deutet alles darauf hin, dass es unter Saá weitergehen wird wie bisher. Das ist dramatisch. Denn Argentinien braucht einen Politikwechsel, hat aber keine Wahlalternative. Mit Saá wird das Vertrauen in die Politik weiter schwinden. De la Rúa könnte nicht der letzte Präsident gewesen sein, der vor einer aufgebrachten Menschenmenge im Hubschrauber fliehen musste. INGO MALCHER

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