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DER NATURSCHUTZ BRAUCHT EINE BREITE ÖFFENTLICHE PICKNICKER-LOBBYSommerplanung

Umweltminister Jürgen Trittin baggert. Statt in Urlaub zu fahren wie seine Kollegen, reist der Minister von einem Naturschutzprojekt zum anderen, immer schön in Begleitung der Presse. Vor zwei Wochen waren Schutzprojekte im Nordwesten dran, gestern gab es Tamtam um den Förderbescheid von 30 Millionen Mark für das Naturschutzgroßprojekt Spreewald, nächste Woche reist Trittin nach Rügen. Das Engagement des Umweltministers ist durchaus plausibel, wartet doch nach der Sommerpause ein schwieriges Großprojekt auf ihn. Trittin will endlich das Bundesnaturschutzgesetz novellieren, und das stößt auf heftigen Widerstand bei den Bauern.

Mehr Naturschutz will Trittin mit der Novellierung, Biotope in einer Art Verbundsystem verknüpfen und dafür 10 Prozent der Landesfläche unter Schutz stellen, den Einsatz von Pestiziden reduzieren und Nationalparks auch dort einrichten, wo Menschen wirtschaften. Für die Bauern, die heute schon jeden Subventionspfennig zweimal umdrehen müssen, sind das tiefrote Tücher, weil die ministeriellen Pläne für sie erhebliche Einschränkungen und Verluste bedeuten. Die wollen sie dann wenigstens bezahlt haben. Bei der Lobby, die die Bauern in dieser Gesellschaft noch haben, dürfte dieses Begehren jedoch auf wenig Gegenliebe stoßen, also werden sich die Landwirte möglichst teuer verkaufen.

Damit er dem erwartbaren Protest etwas entgegenstellen kann, sucht Trittin den Rückhalt bei den natursüchtigen Städtern, reist, erklärt, trommelt. Dem gemeinen Städter ist der Naturschutz nämlich so piepe wie die Bauern – und der Streit darum auch. Kaum einer kennt sich aus mit den verschiedenen Kategorien von Nationalpark, Biosphärenreservat, Naturschutzgebiet, Naturpark und jetzt auch noch Naturschutzgroßprojekten. Hauptsache, es gibt was Schönes und man darf drin picknicken. Dass in diesem reichen Land gerade einmal 2,4 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz stehen, aber 120 Hektar unbebautes Land täglich betoniert werden, weiß kaum jemand. Wo Schutzgebiete eingerichtet wurden, muss dauernd gegen Übergriffe gekämpft werden, gegen Holzeinschlag beispielsweise im Nationalpark Bayerischer Wald. Trittin muss nicht nur seine Novellierung vorantreiben, sondern auch eine ganze Menge tun, um wenigstens den Status quo zu erhalten. Also reist er, in der Hoffnung, dass die wunderschönen sommerlichen Gebiete mit ihren Viechern und Pflanzen selbst zu der öffentlichen Überzeugung beitragen, dass sich mehr Naturschutz lohnen würde.

MAIKE RADEMAKER

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