DER DONALD-DUCK-ZEICHNER BARKS IST TOT – DAS SYMBOL EINER COMIC-ÄRA: Das Ende der versteckten Moral
Eine Ente für ein Jahrhundert. Und ein Mann wie ein Jahrhundert. Dass der amerikanische Donald-Duck-Zeichner Carl Barks das neue Jahrhundert nur minimal miterleben durfte, ist traurig und schade. Aber irgendwie passend: Mit ihm geht außer einem bestimmten Zeichenstil auch eine bestimmte Art des Geschichtenerzählens zu Ende. Oberflächlich betrachtet, unterscheidet sich das Donald-Imperium mitsamt den Neffen, Daisy, mit der Donald eine leicht inzestuöse und unerfüllte Liebe verbindet, und dem grotesk reichen Geldsack Dagobert nicht so stark von modernen Comichelden wie den Simpsons, den Pokémons oder den neuen Matt-Groening-Figuren aus Futurama. Aber es liegt ein ganzes Jahrhundert dazwischen.
Die Entenhausener Sippe ist die letzte Vertreterin eines grundanständigen Menschen- beziehungsweise Entenschlags. Auch wenn Dagobert täglich durch seine Talermeere schwimmt und seine Familie kurz hält, auch wenn Donald die faulste Ente der Welt ist, auch wenn Daisy zickig ist und die Panzerknacker böse sind: Es sind Identifikationsfiguren, unfreiwillige Loser wie du und ich, oder, wie Barks in den Siebzigern sagte: „Ich habe mich immer als unglückliche Person gesehen, genau wie Donald, der ein Opfer so vieler Umstände ist. [. . .]Es gibt niemanden in den USA, der sich nichtmit ihm identifiziert. Und das ist einer der Grün-de, warum die Menschen die Ente mögen.“
Homer Simpson ist auch ein Verlierer. Aber weil er kein Opfer seiner Umstände ist, sondern sich aus reiner Bequemlichkeit dazu bekennt, ein Verlierer zu sein, ist er ein Held. Ein sehr moderner Held. Die Simpsons sind cool, weil sie sich wissentlich danebenbenehmen. Die Entenhausener Ducks hingegen sind zu bedauern, weil sie sich aus Versehen immer wieder in die Nesseln setzen; eigentlich wollten sie ja nix Böses . . . Die sprechenden Enten sind auf eine altmodische, 40er- und 50er-Jahre-mäßige Art moralisch: Er habe zwar keine Moral in die Geschichten einfließen lassen wollen, sagte Barks 1994 in einem Interview, aber „die Moral hat sich trotzdem manchmal ergeben“.
Vielleicht darum schien das Interesse an dem tölpeligen Enterich mit den schlauen Neffen in den letzten Jahren milde nachzulassen, wie auch die Verkaufszahlen der Micky Maus-Hefte zurückgingen. Er wird zwar die berühmteste Ente aller Zeiten bleiben. Trotzdem: Jugendliche und Kinder, die immer noch die Hauptkonsumentengruppe für Comics und Zeichentrick stellen, sogar für ein komplett satirisches und erwachsenes Konzept wie die Simpsons, erkennen die versteckte Moral in den Geschichten. Und greifen dann lieber zu etwas Amoralischem. Das bringt nämlich mehr Spaß und die Eltern auf die Palme. JENNI ZYLKA
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