DER BUNDESTAG DEBATTIERTE DIE ZUKUNFT DER BUNDESWEHR: Die Selbstentmachter
Die Gestaltung von Politik ist gleichbedeutend mit der Verteilung von Geld, das nicht zur Verfügung steht. Wer diese Definition für zutreffend hält, sieht sich durch die gestrige Bundestagsdebatte über die Zukunft der Bundeswehr ein weiteres Mal bestätigt. Erwartungsgemäß erklärte Verteidigungsminister Rudolf Scharping die Strukturreform der Armee für finanziell abgesichert. Die Opposition hat dieser Behauptung widersprochen, was ebenso berechtigt wie wenig überraschend ist. Aber eigentlich geht es darum gar nicht.
Es geht um die Frage, welche Aufgaben die Bundeswehr künftig wahrzunehmen hat und welche sie nicht mehr erfüllen muss. Ein heikles Thema. Keine der großen Parteien hat dem Umbau der Streitkräfte in eine Armee widersprochen, die vor allem für so genannte Krisenintervention gerüstet sein soll – ein Euphemismus der besonderen Art.
Der neuen Nato-Doktrin und auch den Empfehlungen der Weizsäcker-Kommission zufolge können deutsche Sicherheitsbelange bereits dann berührt sein, wenn der Nachschub mit Rohstoffen wie etwa Öl nicht mehr gesichert ist. Auf in den Nahen Osten? Früher wurden militärische Aktionen zur Durchsetzung eigener Interessen als Angriffskriege bezeichnet. Heute gibt es vornehmere Bezeichnungen. Das ist aber der einzige Unterschied.
Krieg ist allerdings teuer, und Geld ist knapp. Wie eh und je. Gegenwärtig ist keine militärische Bedrohung zu erkennen. Deutsche Militärexperten zeigen sich davon überzeugt, dass das auch so bleiben wird. Eine Überzeugung, die angesichts der Umwälzungen der letzten zehn Jahre erstaunlich anmutet. Was, wenn instabile Staaten wie Weißrussland plötzlich doch gefährlich werden?
Kein Problem. Dafür haben wir ja die Polen als neuen Nato-Partner. Die werden’s schon richten. Nur eine derartige Zuversicht kann erklären, weshalb alle namhaften deutschen Verteidigungspolitiker die vorhandenen Mittel derzeit lieber in die Planung militärischer Abenteuer mit ungewissem Ausgang – vulgo: die Krisenintervention – stecken wollen als in die Landesverteidigung.
Die Ausbildung von Elitetruppen und die Demonstration nationalen Bedeutungszuwachses sind werbewirksamer und weniger langweilig als die traditionelle Vorbereitung auf Selbstverteidigung. Da möchte niemand zurückstehen. Die Bundestagsdebatte über die Zukunft der Bundeswehr war mehr als nur ärgerlich. Sie ist über Parteigrenzen hinweg von allen Beteiligten unehrlich geführt worden. Mit Aussprachen auf diesem Niveau entmachten die Abgeordneten sich selbst – und merken es nicht einmal. BETTINA GAUS
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