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DDR-Rentner werden Sozialhilfe-Empfänger

■ Bundesarbeitsminister Blüm stellt Sozialsystem zum Staatsvertrag vor / Arbeitslosenversicherung problematisch

Bonn (ap) - Voraussichtlich geringer als erwartet fällt nach Darstellung von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm der Finanzbedarf für die „Anschubfinanzierung“ der Renten- und der Arbeitslosenversicherung in der DDR aus. Bereits am Donnerstagabend sagte Blüm, für die Rentenversicherung seien 750 Millionen Mark erforderlich, für die Arbeitslosenversicherung in diesem Jahr zwei Milliarden Mark. Die Mittel sollen aus dem Bundeshaushalt kommen und sind im zweiten Nachtragshaushalt enthalten. Blüm machte deutlich, daß die Systeme der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung in der DDR bereits mit Inkrafttreten des Staatsvertrags am 1. Juli vollständig an das bundesdeutsche Vorbild angeglichen werden. Die Beiträge zur Rentenversicherung steigen auf 18,7 Prozent des Bruttoeinkommens. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt ab 1. Juli beim 1,8fachen des Durchschnittseinkommens. Die Lohn und Einkommenssteuern werden nach bundesdeutschen Tabellen erhoben. Arbeiter sollen bis zum Jahresende Beitragszuschüsse vom Arbeitgeber erhalten, die nach den erwarteten Lohnsteigerungen wegfallen sollen. Die Garantiesumme von 495 Mark stellt nach den Worten Blüms keine Mindestrente dar, sondern bedeutet den Einbau sonst gesondert zu zahlender Sozialhilfe in die Rentenzahlung. Problematischer als bei den Renten wird vom Bundesarbeitsministerium die Situation der Arbeitslosenversicherung eingeschätzt. Bei der Anschubfinanzierung von zwei Milliarden Mark in diesem Bereich geht es von einer Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent im Jahresdurchschnitt 1990 aus. Blüm räumte ein, daß die Rechnung Unsicherheiten enthalte, weil die tatsächliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der DDR schwer abzuschätzen sei. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kritisierte umgehend, solange die Arbeitsmarktsituation unklar sei, dürften keine rentenpolitischen Entscheidungen getroffen werden, die eine „Gefahr verfehlter Weichenstellung“ bergen könnten.

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