DAS KOMBINAT (3) : Der Verschollene
Nach einer Weile stellten sich zwei ältere Mitarbeitende zu uns. Ein Mann mit eingefallenem Gesicht, alter Weste und verwaschenem T-Shirt, eine Frau mit Halbmondbrille, roter Unfrisur und Strickpullover. Der Mann lächelte zweideutig. Die Frau zog eine von ihren Strähnen in den Mund und kaute nachdenklich darauf herum. Ich dämpfte die Stimme und machte Jason Zeichen, ihn aber störte die Anwesenheit dieses urigen Paars nicht und so redete er weiter drauflos.
Er hatte sich vor zwei, drei Tagen mit der Redakteurin getroffen, um Termine zu besprechen, erzählte er. Allerdings nicht in der Redaktion, sondern in einer dunklen Bar am Rande des Zeitungsviertels. Die Redakteurin, er nannte sie Stella, hatte einen Minirock gewagt. Er schilderte sie als eine kleine, wohlgeformte und lebhafte Frau, aber fahrig, aufgewühlt.
Sie hatte dann ein konfuses Gespräch angefangen, bei dem es um irgendwelche Namen aus der Branche gegangen war. Viel habe ich nicht viel verstanden, gab Jason zu, mir schien Stella auch leicht paranoid zu sein. Außerdem rutschte sie auffällig oft auf ihrem Hocker herum, als ob sie starke Rückenschmerzen plagten. Aber was wirklich merkwürdig war, sagte er, dass sie nach ein, zwei Drinks plötzlich das Heulen bekam. Natürlich wollte ich jetzt wissen, was los ist, sagte Jason. Und dann rückte sie mit dieser Story heraus: Ihr Mann war in was hineingeraten, galt als verschwunden, war untergetaucht, und dann habe sie ihn nach Monaten zufällig wiedergesehen.
Er saß in einem rostroten Auto und hat eine fremde Frau geküsst. Danach hatten ihr Mann und diese Frau eine Weile friedlich und still in dem Auto gesessen.
„Sie sah todmüde aus, als sie das erzählte“, sagte Jason. Er schaute auf seine Kippe hinab, die Geschichte schien zu Ende zu sein. War sie aber nicht, sie fing gerade erst an. RENÉ HAMANN