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DAS DETAILKeine Ruhe an Luthers Tür

Ein Ort für Thesen Foto: dpa

BESCHMIERT Ein Hakenkreuz und ein Nackter – jetzt ist in Wittenberg Schluss mit den Thesen

Seit dem 31. Oktober 1517 ist sie ein besonderer Ort: die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Damals soll Martin Luther seine 95 Thesen dort angeschlagen haben.

Anfang November trat der dänische Performance-Künstler Max Uwe Jensen nackt an der mit einem Gitter geschützten Kirchentür auf. Nur mit Schal und bunten Socken bekleidet, klebte er seinen Penis an die Thesentür und rezitierte dabei das Luther-Zitat: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Dann soll er seine sieben Sachen genommen haben und damit verschwunden sein. Gegen den Dänen wird wegen des Verdachts exhibitionistischer Handlungen sowie Hausfriedensbruchs ermittelt.

Am Sonntag gab es in Wittenberg dann einen weiteren Zwischenfall mit einer eindeutigen These. Diesmal allerdings weitaus drastischer: Unbekannte schmierten ein Hakenkreuz auf den Vorplatz der Kirche. Außerdem beklecksten sie die Tür mit blauer Farbe. Noch immer sind Reste davon zu erkennen.

Mittlerweile hat die Polizei den Staatsschutz eingeschaltet und sucht nach Zeugen. Der Oberbürgermeister von Wittenberg, Torsten Zugehör, zeigte sich gegenüber dem MDR verärgert: „Die Thesentür steht als Symbol für Mut und Standhaftigkeit. Der Farbanschlag im Schleier der Nacht ist dagegen feige.“

Nun soll Schluss sein mit den unchristlichen Thesen an dem historischen Ort. Stadt und Kirche wollen sich ein Sicherheitskonzept überlegen. Auch eine Kameraüberwachung ist im Gespräch, obwohl das an öffentlichen Plätzen nicht ganz einfach umzusetzen ist.

Wenn hier endlich Ruhe ist, könnte die Evangelische Kirche ganz im Sinne von Luthers Thesen in das nächste Jahr starten. Da wird das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Auf die Befreiung von ihren Sünden können die Wittenberger Protestler allerdings nicht mehr hoffen. Ablassbriefe zur Vergebung der Sünden gibt es heute nicht mehr. Judith Freese

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