DANK OTTO SCHILYS POLITIK IST INNERE SICHERHEIT KEIN WAHLKAMPFTHEMA: Wachsamkeit ist angebracht
Falls Gerhard Schröder doch noch die Wahl gewinnt, muss er sich auch bei seinem Innenminister bedanken. In einem Kabinett, das vier Jahre lang durcheinander gewirbelt wurde, das acht Minister kommen und gehen sah, hatte der Kanzler nur einen wichtigen Parteifreund und Helfer, auf den er sich immer verlassen konnte: Otto Schily. Von Anfang an sorgte der autoritäre Ordnungsmann dafür, dass sich die Warnungen vor einem „rot-grünen Chaos“ zumindest in der Innenpolitik in Luft auflösten. Spätestens seit seinen Sicherheitspaketen hat die Union nichts Substanzielles mehr zu bemängeln. Seine Mischung aus Gelassenheit und Wachsamkeit beim Umgang mit dem Terrorismus kommt gut an – kein SPD-Minister hat so konstant hohe Umfragewerte. Offenbar fühlen sich auch konservative Wähler bei Schily gut aufgehoben. Das kann entscheidende Prozente bringen.
Ausgerechnet auf dem Terrain, das die Union immer zu beherrschen glaubte, ist die Bundesregierung so gut wie unangreifbar. Die Bemühungen von Bayerns Innenminister Günther Beckstein wirken hilflos, die innere Sicherheit ist kein Wahlkampfthema. Und das ist gut so. Denn wo und wann auch immer die innere Sicherheit ein Thema war, profitierten Konservative bis Rechtsextreme – zuletzt bei den Wahlen in Hamburg, aber auch in Frankreich und den Niederlanden.
Deshalb sollten auch linke Kritiker und Bürgerrechtler Schilys Politik mit einer Mischung aus Gelassenheit und Wachsamkeit verfolgen. Mit Gelassenheit, weil sich ein gut Teil von Schilys Erfolg aus starken Sprüchen speist – und nicht aus konkreten Taten. Schily spricht von „Assimilierung“ und setzt trotzdem auch Verbesserungen für Migranten durch – mit einem neuen Integrationsangebot und Staatsbürgerrecht. Wachsamkeit ist angebracht, weil noch immer unklar ist, wie die Behörden mit den erweiterten Befugnissen umgehen, die sie seit dem 11. September haben. Bisher wurden gravierende Diskriminierungen von Muslimen kaum bekannt. Doch die offenbar geplante Großaktion gegen „Extremisten“ ist der nächste Anlass, Schily genauer auf die Finger zu schauen. LUKAS WALLRAFF
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