Cyber-Kriminelle in den USA verhaftet: Bankraub des 21. Jahrhunderts
US-Behörden vergleichen globalen Raubzug dank manipulierter Geldkarten mit dem Lufthansa-Raub von 1978. Die Cyber-Bande erbeutete 45 Millionen Dollar.
NEW YORK ap | Eine weltweit operierende Bande Cyber-Krimineller hat mit manipulierten Prepaid-Karten innerhalb kürzester Zeit 45 Millionen Dollar (34,5 Millionen Euro) von Geldautomaten in aller Welt gestohlen. Die US-Staatsanwaltschaft teilte mit, sieben Mitglieder einer New Yorker Zelle seien verhaftet wurden.
Die Brooklyner Staatsanwältin Loretta Lynch sprach am Donnerstag von „einem gewaltigen Bankraub des 21. Jahrhunderts“ und verglich das Ausmaß mit dem sogenannten Lufthansa-Millionenraub von 1978.
Veraltete US-Kartentechnologie könnte Sicherheitsexperten zumindest teilweise ihren Raubzug ermöglicht haben. Eingehackt hatten sich die Cyber-Kriminellen in Banken von Golfstaaten.
Die US-Behörden sind der Hacker-Bande – darunter acht in Yonkers bei New York lebende US-Bürger, die aus der Dominikanischen Republik stammten – schon länger auf der Spur, hieß es. Unterstützt wurden sie von Ermittlern in Deutschland, Kanada, Japan, Rumänien und zwölf weitern Ländern, teilte die US-Staatsanwaltschaft mit. Sieben Verdächtige wurden festgenommen.
Der Kopf der Bande, Alberto Yusi-Lajud, soll im vergangenen Monat in der Dominikanischen Republik ermordet worden sein. Bei ihm sei ein Koffer mit 100.000 Dollar in bar gefunden worden. Die ersten Verhaftungen seien im März erfolgt, sagte Lynch.
Der am Donnerstag veröffentlichten Anklage zufolge bestand die New Yorker Zelle des internationalen Netzwerks aus acht Mitgliedern, jungen Männern meist in ihren 20ern. Einer der Verdächtigen wurde von mehreren Überwachungskameras aufgenommen, wobei sein Rucksack von Geldautomaten-Besuch zu Geldautomaten-Besuch sichtbar voller wurde.
Bargeld wurde offenbar bündelweise abgehoben. Andere Verdächtige fotografierten sich mit riesigen Geldbündeln in den Händen in Manhattan.
Der Staatsanwaltschaft zufolge sind von dem Raubzug zwei Banken von Golfstaaten, die Rakbank in den Vereinigten Arabischen Emiraten und die Bank of Muscat im Oman, betroffen.
Virtueller Flashmob
Die Hacker hätten sich die Daten für die Prepaid Debit Cards verschafft, deren Limits von den Konten entfernt und Zugangscodes programmiert. Dann seien Gang-Mitglieder in mehreren Städten ausgeschwärmt und hätten Geld abgehoben – allein an einem einzigen Tag 2,8 Millionen Dollar.
Lynch nannte das einen „virtuellen kriminellen Flashmob“. Jede Plastikkarte sei zum Abheben verwendbar gewesen – sei es eine Einlasskarte von einem Hotel oder eine abgelaufenen Kreditkarte. Sie mussten nur mit den entsprechenden Kontendaten und den richtigen Zugangscodes programmiert werden, sagt Lynch.
Es habe zwei Großangriffe gegeben – einen im Dezember mit fünf Millionen Dollar Beute und einen im Februar. Im Februar seien mehr als 36.000 Transaktionen weltweit getätigt worden und rund 40 Millionen Dollar gestohlen worden. Ziel seien Geldautomaten in Japan, Russland, Rumänien, Ägypten, Kolumbien, Großbritannien, Sri Lanka, Kanad und etlichen anderen Ländern gewesen.
Ermittlungen laufen noch
Lynch sagte nicht, wer global die Drahtzieher des Raubzugs gewesen seien. Auch über die Hacker und ihre Standorte wurden mit Ausnahme der US-Zelle keine Angaben gemacht. Begründet wurde das mit noch laufenden Ermittlungen.
Eine Sicherheitsanalystin für Gartner Inc., Aviva Litan, sagte, derartige Raubzüge an Geldautomaten seien nicht ungewöhnlich, aber die 45-Millionen-Beute von diesem sei mindestens das Doppelte von vorher bekannten Fällen. Banken im Nahen und Mittleren Osten seien „ein wenig zurück“ mit ihren Sicherheitsmaßnahmen, mit denen solche Manipulationen zu erschweren oder zu verhindern sind, sagte sie. „Es ist wirklich einfach, Zahlen in Cash zu verwandeln“, sagte Litan.
Ein Schwachpunkt sind die Magnetstreifen auf der Rückseite der Karten. In vielen Teilen der Welt sind diese Modelle von Karten mit Chips abgelöst worden, die fast unmöglich zu kopieren sind. Da aber US-Banken und Händler an Karten mit Magnetstreifen festhalten, werden sie weiterhin weltweit in vielen Ländern akzeptiert.
Nachahmer wird es geben
Ein Analyst von „Core Security“, einer legalen Hackerfirma, die Unternehmen Sicherheitsprogramme anbietet, sagte, der Schaden durch Geldautomaten-Diebstahl sei allein in den USA bis 2008 auf eine Milliarde Dollar im Jahr gestiegen.
Der jüngste Coup werde Nachahmer inspirieren, sagte Ken Pickering. „Wenn man erst einmal einen so großen Angriff hat, dass sie 45 Millionen Dollar Beute machten, dann ist das wie ein Weckruf für die Cybercrime-Community“, sagte Pickering.
Bei dem „Lufthansa-Raub“ 1978 wurden aus einem Tresor der Fluggesellschaft auf dem New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen 5,8 Millionen Dollar erbeutet. Der Raub würde von Jimmy Burke geplant, der Scorsese zu der von Robert de Niro gespielten Figur in „Goodfellas“ inspirierte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit