Cumhuriyet-Kolumnist Hikmet Çetinkaya: Kolumnist und Legende in Haft
Der 75-jährige Hikmet Çetinkaya berichtet seit Jahrzehnten kritisch über die Gülen-Bewegung. Nun sitzt er in Haft, weil er sie unterstützt haben soll.
Für viele Leute ist Fethullah Gülen, der „öffentlichkeitsscheue Geistliche“, eine rätselhafte Figur. Nicht aber für Hikmet Çetinkaya. Als ich geboren wurde, berichtete er schon seit fünfzehn Jahren über die Gülen-Bewegung.
Hikmet Çetinkaya ist eine Legende bei Cumhuriyet, ein Symbol für uns alle. Fünf Jahre lang war er Chef vom Dienst. Er ist nicht der Typ Kolumnist, der einen Text aus seinem Sommerhäuschen schreibt. Mit 75 Jahren kommt er noch immer fast täglich in die Zeitung, spaziert mit einer Zigarette in der Hand von Raum zu Raum und unterläuft damit die zahllosen Bitten aus dem Management, nicht innerhalb des Gebäudes zu rauchen.
Nach dem Putschversuch im Juli rief er mich in sein Zimmer, um mir seine Artikel über Gülens Unterwanderung des türkischen Militärs zu zeigen. „Schau mal, Ali, hast du das gelesen? Ich habe darüber schon in den 90ern geschrieben.“ Er verfasste unzählige Artikel und Bücher, wie „Fethullah Gülen, die USA und die AKP“, „Der Frömmler und der Zauberer“, „Fethullah Gülens 40-jähriges Abenteuer …“. Er hat einfach über alles geschrieben.
Die Seite 1 der Cumhuriyet vom 22. Februar 2002, als Erdoğan und Gülen noch mitten in den Flitterwochen steckten, machte mit Çetinkayas Geschichte auf. Die Schlagzeile lautete: „Die Gülen-Bewegung ist eine Terrororganisation.“ Wie lächerlich klingt es da, dass Çetinkaya jetzt in Haft sitzt wegen „Unterstützung der Terrororganisation Fethullah Gülen“? Çetinkaya, der angibt, bereits 170 Mal von Gülenisten verklagt worden zu sein.
Çetinkaya war von den Ereignissen in der Türkei und dem Versagen der Regierung, das Blutvergießen im Land zu verhindern, niedergeschmettert. Weil er 2015 aus Solidarität eine Karikatur von Charlie Hebdo in seiner Kolumne abdruckte, wurde er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und vielfach mit dem Tode bedroht. Man konnte die Pein dieses Mannes fühlen, der die meisten Gräueltaten im Verlauf des türkischen Demokratieversuchs miterlebt hatte.
In seiner letzten Kolumne, am Tag vor seiner Verhaftung, schrieb er: „Unser ganzes Leben haben uns Putsche und Putschversuche begleitet. Wir haben es nicht geschafft, unsere Demokratie und unsere Freiheiten zu verwirklichen. Haben wir es verdient, eingesperrt zu werden wegen unserer Gedanken! Haben unsere Kläger und Richter ein reines Gewissen, wenn sie diese Urteile fällen?“
Aus dem Englischen Sunny Riedel
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