Crowdfunding-Plattformen wachsen: Der Schwarm zahlt's
In den USA wird die Plattform „Kickstarter“ erstmals mehr Projekte finanzieren als die staatliche Kulturförderung. Auch in Deutschland gibt es einen Boom.
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BERLIN taz | Bald fördert die Internet-Crowd mehr Kultur als der Staat. Die weltweit größte Crowdfunding-Plattform Kickstarter könnte dieses Jahr in den USA mehr kulturelle Projekte fördern als die staatliche Kulturförderung „National Endowment of the Arts (NEA)“, meint Yancey Strickler.
Der Gründer von Kickstarter erwartet, dass Menschen dieses Jahr auf der Plattform mehr als 150 Millionen Dollar in kreative Projekte investieren – die NEA hat nur ein Budget von 146 Millionen Dollar.
Wer ein Musikalbum produzieren, einen Film drehen oder ein Buch schreiben will, braucht Geld. Anstatt an der schweren Tür des Staates oder der eines Labels zu klopfen, sammeln inzwischen viele Kulturschaffende Geld für ihre Projekte im Netz. Menschen können die Ideen mitfinanzieren, im Gegengenzug erhalten sie ein Geschenk und oft werden die Produkte unter einer freien Kopierlizenz veröffentlicht. Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) im Netz hilft längst, einen Teil der Kultur zu finanzieren. In den USA haben es schon drei Projekte geschafft, mehr als eine Millionen Dollar einzusammeln.
Davon sind die Crowdfunding-Plattformen in Deutschland noch weit entfernt, doch der Markt boomt. „Es gibt einen Hype um Crowdfunding“, sagt Karsten Wenzlaff, Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien Ikosom. Er erwartet, dass in Deutschland dieses Jahr mehrere Millionen Euro über Crowdfunding eingeworben werden. Allein auf der größten Plattform in Deutschland, Startnext, die erst Ende 2010 gegründet wurde, zahlten Unterstützer bisher ein halbe Millionen Euro. 138 Projekte konnten so bisher erfolgreich abgeschlossen werden.
Netzwerk ist Erfolgsfaktor
Die Erfolgschancen sind hoch: Die Hälfte aller Ideen werden abgeschlossen. Durchschnittlich erhalten erfolgreiche Projekte knapp 3000 Euro, so eine Studie von Ikosom. Den Rekord mit 26,900 Euro hält bisher das Filmprojekt Bar25 auf der Plattform Inkubato.
„Der Erfolg eines Projekts hängt vom Netzwerk ab, das das jeweilige Projekt mitbringt“, sagt Anna Theil von Startnext. Wer erfolgreich sein wolle, müsse viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben, meint auch Karsten Wenzlaff. Das heißt: Auf Facebook posten, auf Twitter tweeten, bei Freunden mit E-Mails werben, die Presse einbinden und fleißig Mund-zu-Mund propagieren. Und ganz wichtig sei, vom eigenen Projekt überzeugt zu sein.
„Spannend ist Crowdfunding vor allem für Nischenprojekte,“ meint Anna Theil. Eine Nische besetzte „Der Barde Ranarion“, ein Sänger der mittelalterlichen Musikszene, der dank der Internet-Crowd endlich sein Debütalbum finanzieren konnte. „Ein Antrag bei einer Stiftung würde sich für viele nicht lohnen“, sagt die Sprecherin von Startnext. Die Finanzierung auf Crowdfunding-Plattformen sei einfacher und meist schneller. Und nebenbei sei es auch eine gute Werbung für eine zukünftige CD, den vielversprechenden Kurzfilm oder das eigene Musikfestival.
Auf den Plattformen können Initiatoren ihre eigenen Fans in die Projekte miteinbeziehen. „Mit Crowdfunding lassen sich Produkte direkt beim Endkunden testen“, meint Anna Theil. „So zeigt sich sofort, ob es eine Nachfrage gibt.“
„In Zukunft werden die Summen auch in Deutschland größer“, sagt Anna Theil. Sie glaubt auch, dass Projekte professioneller gestaltet würden. „Gruppen oder Einzelne starten bereits die dritten oder vierten Projekte. Sie nehmen ihr eigenes Netzwerke mit.“ So könne eine nachhaltige Förder-Community entstehen.
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