Coronapolitik der MinisterpräsidentInnen: Grund zum kollektiven Rücktritt
Die Covid-Sterbezahlen sind jetzt so hoch, weil die MinisterpräsidentInnen der Länder im November härtere Maßnahmen ablehnten.
E intausendeinhundertneunundzwanzig an einem Tag. Der neue Höchststand bei den Coronatoten, den das Robert-Koch-Institut am Mittwoch vermeldete, klingt dramatisch. Das Schlimmste daran ist aber: Es wird kein Ausrutscher bleiben. Im Gegenteil. An mehr als tausend Tote täglich wird man sich gewöhnen müssen. Ein noch höherer Wert ist sogar wahrscheinlich, wenn all die wegen der Weihnachtsfeiertage in den Statistiken fehlenden Fälle nachgetragen werden.
Schuld daran ist, das muss man so klar und deutlich formulieren, das Kollektiv der MinisterpräsidentInnen, die während des „Lockdown light“ im November wochenlang schärfere Maßnahmen ablehnten (Manuela Schwesig). Lieber erst mal abwarten wollten (Michael Kretschmer). Vor Aktionismus warnten (Armin Laschet). Oder davor, die Infrastruktur unnötig zu belasten (Malu Dreyer). Und dabei stets für ein Recht auf Weihnachten zusammen mit der Familie plädierten (alle).
Dabei gab es von WissenschaftlerInnen gut begründete Forderungen nach einem härteren Lockdown bereits im Oktober. Aber aus Angst vor den wirren „Querdenkern“ spielten die LandesfürstInnen lieber Russisch Roulette mit dem Leben ihrer MitbürgerInnen. Daher sind jetzt die Sterbezahlen so hoch.
Eigentlich wäre es angebracht, dass die MinisterpräsidentInnen in einer Neujahrsansprache kollektiv ihren Rücktritt erklärten. Es mussten PolitikerInnen schon wegen deutlich weniger abdanken als wegen ein paar tausend Toten. Und falls sie sich wieder nicht über ein gemeinsames Vorgehen einigen, könnten ja wenigstens einzelne vor- und abtreten.
In dieser Art Verantwortung übernehmen? Das wird natürlich keiner machen. Doch wenn sie schon im Amt bleiben, könnten sie wenigstens mal den Appell lesen, den 300 WissenschaftlerInnen kurz vor Weihnachten unterzeichnet hatten. Sie fordern so schnell wie möglich extrem niedrige Fallzahlen. Das sei nur durch ein europaweites Vorgehen zu erreichen, durch eine gemeinsame Vision, die klar kommuniziert wird. Vielleicht taugt das ja wenigstens als Neujahrsvorsatz für die nicht ganz so klein Denkenden unter den deutschen LandesfürstInnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml