Coronakrise in Brandenburg: Ostprignitz-Ruppin macht zu
Wie in Mecklenburg-Vorpommern dürfen auch in Neuruppin und Umgebung keine Ferienhäuser genutzt werden. Landesregierung schreitet nicht ein.
Was in Deutschland Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern sind, ist in Brandenburg der Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Am Mittwoch hatte Landrat Ralf Reinhardt (SPD) die Schotten für seinen Landkreis dicht gemacht. In einer so genannten „Allgemeinverfügung“ werden ab Samstag sämtliche touristische Reisen in den Kreis untersagt. „Dazu zählen ausdrücklich auch nur vorübergehende Kurzaufenthalte zum Beispiel am Wochenende oder einzelnen Tagen“, heißt es in der Verfügung. Genannt werden unter anderem Wochenendhäuser, Datschen, Bungalows, Gehöfte, Häuser, Wohnungen sowie mobile Objekte wie Reisen mit Wohnmobilen, Campinganhängern, Booten und Hausbooten.
Begründet wird das Verbot, das beliebte Ferienregionen wie Rheinsberg und Neuruppin betrifft, mit dem Schutz vor dem Coronavirus. „Wir haben im Vergleich zu anderen Regionen in Brandenburg viele Touristen im Landkreis“, sagt Britta Avantario, die zuständige Referatsleiterin im Landratsamt in Neuruppin. „Wir müssen deshalb verhindern, dass über die Ostertage große Menschenmengen einreisen.“ In der Verfügung selbst heißt es ergänzend, die Kapazitäten der Intensivmedizin im Landkreis seien sehr gering. Am Donnerstag gab es in Ostprignitz-Ruppin sieben Coronafälle.
Mit der eigenen Verfügung schert Ostprignitz-Ruppin aus der landesweiten Verordnung aus, die die Landesregierung in Potsdam am Sonntag erlassen hat. Dort wird zwar die Beherbergung von Gästen etwa in Ferienwohnungen untersagt. Allerdings teilte ein Sprecher des Coronakrisenstabs des Landes mit, dass diese Regelungen nicht für Berlinerinnen und Berliner gälten, die in Brandenburg ein eigenes Ferienhaus bewohnten. Berliner, die in Brandenburg ein Wochenendhaus besitzen oder pachten, so der Sprecher, dürften es weiterhin aufsuchen. Auch sei eine Reisebeschränkung nicht vorgesehen, da es in Brandenburg keine Ausgangssperre gebe.
Doch Landrat Reinhardt orientiert sich lieber an Schwerin als an Potsdam. In Schwerin hatte die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Donnerstag eine Verordnung erlassen, in der es heißt: „Touristische Reisen aus privatem Anlass in das Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind untersagt. Dies gilt insbesondere für Reisen, die zu Freizeit- und Urlaubszwecken und zu Fortbildungszwecken unternommen werden.“ Ausnahmen seien lediglich Personen, die in Mecklenburg-Vorpommern einen Zweitwohnsitz haben und diesen auch beruflich nutzen. Soll heißen: Selbst wer in seinem eigenen Wochenendhaus nur ausspannen will, muss draußen bleiben.
Auch in Ostprignitz-Ruppin gibt es nur wenige Ausnahmen für das Einreiseverbot. Nicht betroffen seien neben Personen, die ihren ersten Wohnsitz im Landkreis haben, nur diejenigen mit einem Zweitwohnsitz, die nachweisen können, „dass dessen Nutzung für die Ausübung einer erwerbsmäßigen beziehungsweise selbständigen Tätigkeit zwingend erforderlich ist“. Gleiches gelte für Personen, „die ihrer beruflichen Tätigkeit im Landkreis nachgehen (erwerbsmäßig bzw. selbständig) und einen schriftlichen Arbeitsauftrag nachweisen können“.
„Das ist unverantwortlich“
Unumstritten ist das Vorgehen aus Neuruppin, der Geburtsstadt des Berliners und Brandenburgers Theodor Fontane, nicht. „Wir beabsichtigen nicht, einen Alleingang zu machen und Personen mit Zweitwohnsitz nicht mehr in die Uckermark zu lassen“, sagt eine Sprecherin von Landrätin Karina Dörk (CDU) in der Uckermark der taz. Noch deutlicher wurde Gernot Schmidt, SPD-Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland. „Dieses Handeln ist unverantwortlich“, sagte Schmidt den Potsdamer Neuesten Nachrichten. „Wer in einer Krise verschiedene Menschengruppen aufeinander hetzt, der hat nicht begriffen, wie eine freiheitlich-demokratische Ordnung funktioniert.“ Auch für den Landkreis Oberhavel kommt eine Schließung nicht infrage. Das sagte Landrat Ludger Weskamp dem Inforadio des RBB. Aus dem Landkreis Oder-Spree hieß es, weitere Maßnahmen als die der Landesregierung seien nicht geplant.
Im Berliner Senat setzt man trotz der neuen Einschränkung weiter auf eine gemeinsame Regelung mit Brandenburg. „Der Senat ist in kontinuierlicher Abstimmung mit der Landesregierung Brandenburgs über ein gemeinsames Vorgehen in der Coronakrise“, sagte Senatssprecherin Melanie Reinsch der taz. „Entsprechend gibt es in beiden Bundesländern Kontaktbeschränkungen, aber keine dezidierte Ausgangssperre.“ Die Entscheidung einzelner Landkreise wolle man aber nicht kommentieren.
Am Donnerstag beschäftigte sich der Coronakrisenstab der Brandenburger Landesregierung mit dem Alleingang von Ostprignitz-Ruppin. In einer Pressemitteilung betonte Regierungssprecher Florian Engels dann am Nachmittag, dass in Brandenburg weiterhin keine Ausgangssperre bestehe. Auch „im eigenen Besitz befindliche Ferienhäuser oder -wohnungen dürfen genutzt werden“. Allerdings sollten „nicht notwendige Wege und Fahrten, zum Beispiel Wochenendausflüge, unterbleiben“.
Gegen den Sonderweg in Ostprignitz-Ruppin wollen Krisenstab und Landesregierung offenbar nicht vorgehen. Stattdessen teilte Regierungssprecher Engels mit: „Lokal oder auf Kreisebene können aus besonderem Anlass anderslautende Festlegungen getroffen werden.“
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