Coronahilfe durch die Bundeswehr: Armee gegen Einsatz im Innern

Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken lehnte die Bundeswehr mehrere Corona-Hilfseinsätze ab. Dafür gibt es sogar Lob von der Linken.

Ein Soldat hält eine Flasche mit Desinfektionsmittel

Die Bundeswehr hilft in der Coronakrise – aus verfassungsrechtlicher Gründen aber nicht überall Foto: Nicolas Armer/dpa

BERLIN taz | Dass sich eine Abgeordnete der Linkspartei über Entscheidungen der Bundeswehr freut, passiert selten. Bei Ulla Jelp­ke, die für ihre Fraktion im Innenausschuss des Bundestags sitzt, war es in der vergangenen Woche aber mal so weit. „Es kommt nicht oft vor, dass ich das Verteidigungsministerium für seine Verfassungstreue lobe“, sagte Jelpke. „Ich hoffe nur, es bleibt dabei.“

Grund war eine Auskunft des Verteidigungsministeriums zu Bundeswehr-Hilfseinsätzen in der Coronakrise. In Dutzenden Fällen unterstützt die Armee derzeit andere Behörden, indem sie zum Beispiel Personal in Krankenhäuser schickt oder den Transport von Schutz­aus­rüstung übernimmt. Nach Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes sind solche Hilfsleistungen relativ problemlos möglich.

Schwieriger sieht es aus, wenn die Bundeswehr auch „hoheitliche Aufgaben“ übernehmen soll – also Polizeiaufgaben. Nach Artikel 35 Absatz 2 ist das bei Naturkatastrophen oder Ähnlichem grundsätzlich möglich, allerdings mit hohen Hürden.

Die Abgeordnete Jelpke hatte das Verteidigungsministerium gefragt, wie die Bundeswehr während der Coronakrise mit solchen Anträgen umgeht. Die Antwort: Bisher habe es sechs davon gegeben, alle wurden abgelehnt.

„Politi­scher Nachhilfeunterricht“ für die Kommunen

Wie die taz schon im März berichtete, hatte das Land Thüringen beantragt, dass die Bundeswehr den Betrieb von Flüchtlingseinrichtungen übernimmt und dabei auch das Hausrecht ausübt. Die Bundeswehr lehnte das nach eigenen Angaben ab, weil der Einsatz „die lagebedingte Möglichkeit hoheitlicher Zwangs- und Eingriffsmaßnahmen“ geboten hätte.

In den anderen fünf Fällen kamen die Anträge von Landkreisen und Städten. Der Saarpfalz-Kreis um Homburg bat beispielsweise darum, dass Sol­da­ten*­in­nen den Zutritt zu einem Krankenhaus kontrollieren. Die bayerischen Landkreise Miesbach und Weilheim-Schongau wollten Lagerhallen bewachen lassen. All diese Ersuchen lehnte die Bundeswehr ab, weil anders als bei der einfachen Amtshilfe nach Artikel 35 Absatz 1 nicht die Kommunen antragsberechtigt seien, sondern nur die Länder.

Ein Teil der Kommunen hält auf Nachfrage dagegen. Die Stadt Koblenz beispielsweise, ein früher Corona-Hotspot: Sie wollte im März mithilfe der Bundeswehr einen medizinischen Stützpunkt aufbauen, um dort Notfalls Corona-Pa­tien­t*in­nen zu „sichten“ und zu „triagieren“ – nach Ansicht der Stadtverwaltung keine hoheitliche Aufgabe, sondern eine einfache, verfassungskonforme Amtshilfe.

Das Landratsamt Starnberg, das die Bundeswehr für den Betrieb einer Drive-in-Teststation samt Zugangskontrollen angefordert hatte, sieht in dieser Aufgabe ebenfalls nur eine technisch-logistische Unterstützung. Zudem habe man den Antrag gar nicht direkt, sondern über die Landesregierung bei der Bundeswehr vorgelegt.

Der Landkreis Weilheim dagegen stimmt der Bundeswehr im Nachhinein zu und lässt seine Lagerhalle jetzt von einem privaten Sicherheitsdienst bewachen. Das Landratsamt Miesbach gibt an, zur Frage der Rechtsmäßigkeit seines eigenen Antrags „nichts beitragen“ zu können.

„Mir ist bewusst, wie angespannt die Lage angesichts der Co­ro­na­pandemie bei den zi­vi­len Behörden ist“, sagt die Ab­ge­ordnete Jelpke dazu. Aber das sei noch lange kein Grund dafür, dass Landräte und Bürgermeister die Bundeswehr für verfassungswidrige Maßnahmen in Anspruch nehmen wollten. „Hier wäre ein wenig politi­scher Nachhilfeunterricht nötig.“

UPDATE: Nach Veröffentlichung des Artikels beantwortete das Landratsamt des Saarpfalz-Kreises die Anfrage der taz. Demnach bezog sich der Antrag des Landkreises auf die Verkehrslenkung rund um ein Krankenhausgelände. Ziel sei es gewesen, dass die Bundeswehr die rechtlichen und personellen Möglichkeit prüft. Dem Landrat sei „der gesetzliche Rahmen dieser Antragstellung durchaus bewusst“.

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