piwik no script img

Corona und die Stadt-SchwätzerEin bisschen Ruhe

Dieses Land scheint in den Städten überwiegend aus Virologen zu bestehen. Gut, wenn diese nervenden Brüder und Schwestern nicht am Gartenzaun stehen.

Lieber den Vögeln lauschen als den mannigfachen Wehklagen im Radio Foto: McPHOTO/imago

G anz herzliche Grüße aus dem ländlichen Bereich. Wir hier draußen haben uns eingerichtet. Wir winken uns von Weitem zu und erkundigen uns nach dem werten Befinden (unverändert so lala), kaufen füreinander ein (Rhabarber ist hier die aktuelle Bückware), versorgen uns gegenseitig mit Tomaten-Setzlingen und auch Covid-19-Masken.

Erst gestern radelte eine Freundin an meinem Gartentürchen vorbei. Wir erzählten einander, was so anliegt. Nicht viel. Laut sprechen mussten wir trotz Social Distancing nicht, hier herrschen Ruhe und das Ordnungsamt. Denn nachdem unsere Landesregierung selbst das Wasser-„Sport“ genannte Bootfahren untersagt hat, fehlt seeseitig erfreulicherweise der Lärm von Dieselmotoren und Kindertechno aus der jeweiligen Bordanlage.

Tatsächlich schwant mir immer mal wieder, wie angenehm beschaulich mir diese Coronawochen erinnerlich sein könnten, sobald sie vorbei sind. Werden sie doch, oder? Jede Menge Futur.

Noch aber ist es still. Auf der großen Baustelle im Ort fehlen die osteuropäischen Bauarbeiter, um die „Stadtvillen“ genannten Plattenbauten für Besserverdiener in den märkischen Grund zu rammen. Stattdessen lausche ich den mannigfachen Vogelstimmen. Sie singen so ausdauernd und leidenschaftlich, dass ich gleich wieder das Radio ausschalte, aus dem mir nichts als Wehklagen entgegenschallt.

Überall Experten

Dieses Land scheint – vorzugsweise in den Städten – überwiegend aus Virologen zu bestehen, deren Expertise sich grob gesagt auf ihr jeweils persönliches Anliegen bezieht. Mal sollen ältere und beeinträchtigte MitbürgerInnen weggeschlossen werden, um ökonomischen Vorhaben nicht unnötig im Weg zu stehen.

Mal sollen ganze Bundesländer zum Experimentierfeld werden, indem die Kinder der anderen gerne austesten dürfen, ob und wie das klappt mit dieser Herdenimmunität. Mal möchte man sich in großem Stil versammeln, weil Covid-19 lediglich eine Erfindung der Reptiloiden ist. Dann wieder geben PolitikerInnen Interviews, in denen sie so tun, als läge die Lösung für einfach alles auf der Hand. Präziser werden sie dann zuverlässig nicht. Es ist die Zeit der Schwätzer.

Erfreulich verhalten sich hingegen die Eltern. Jedenfalls wenn sie keine JournalistInnen oder PolitikerInnen sind. Sie bleiben mit dem Nachwuchs zu Hause, sie müssen ja. Ich bewundere sie. Es ist sicher nicht vergnügungsteuerpflichtig, unter diesen Bedingungen 24/7 beisammenzuhocken und Ferien oder Schule oder Kindergarten zu simulieren. Bindungen werden auf eine harte Probe gestellt. Pläne müssen jeden Tag neu gemacht und geschrottet werden.

Wenn Eltern und Kinder frischlufthalber an meinem Gartenzaun vorbeiradeln, herrscht überwiegend familiäre Eintracht. Ganz offensichtlich haben sie weder Zeit noch Nerven, ihre Umwelt großräumig mit ihrer Covid-Expertise zu behelligen. Sie seien gepriesen in diesen Zeiten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Autorin: Hach wie gut es mir doch geht, auf dem freien Land.



    Da sieht man ganz deutlich, das es die angerüffelten Schwätzer nicht nur in den Städten gibt. Warum gibt man in einer Zeit wo es vor allem um Zusammenhalt gehen sollte, solchem platten wir-gegen-die Gelaber hier eigentlich eine Bühne? Was hat dieser Artikel inhaltlich zu bieten? Aus meiner sicht nix produktives. Da ist mir Vogelzwitschern auch lieber (und das hab ich auch hier in meiner Stadtwohnung).

    • @SuedWind:

      Besser hätte ich es auch nicht formulieren können!

      Ich frage mich jedoch leicht amüsiert, was die Autorin unter Kindertechno versteht.