die dritte meinung
: Beim Elterngeld sollte das Einkommen vor Corona gelten, sagt Mathias Huebener vom DIW

Mathias Huebener

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Die Coronakrise führt zu großer Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Das stellt auch werdende Eltern vor einige Probleme. So ist die finanzielle Lage nach der Geburt unsicher: Denn zum Beispiel Kurzarbeitergeld wird bei der Berechnung des Elterngelds nicht berücksichtigt – ein herber Einschnitt für Familien. Aber auch für das ungeborene Kind: Zahlreiche Studien belegen, dass Stress und Sorgen um die berufliche Zukunft schon während der Schwangerschaft die Entwicklung von Kindern bis zur Geburt, aber auch langfristig beeinträchtigen.

Selbst die Entscheidung für ein Kind wird durch unsichere wirtschaftliche Aussichten beeinflusst. Die Wiedervereinigung hat in Ostdeutschland eindrucksvoll gelehrt, dass viel Unsicherheit die Geburtenrate halbieren kann. Dieser Geburtenknick hat demografische Folgen und macht beispielsweise auch die Steuerung des Schulsystems zu einer riesigen Herausforderung. Wenn wirtschaftliche und berufliche Unsicherheit in die Entscheidung einfließen, wann junge Menschen ein Kind bekommen möchten, wird ohne entsprechendes Handeln der Politik der Kinderwunsch wohl auch durch Corona häufiger aufgeschoben werden.

Doch die Politik hat bereits Werkzeuge zur Hand: Das Elterngeld gilt als eine sehr erfolgreiche familienpolitische Maßnahme, die die wirtschaftliche Lage von Familien in der Zeit nach der Geburt absichert. Für Paare, die bereits ein Kind erwarten, sollte das Elterngeld vorübergehend am Einkommen vor dem wirtschaftlichen Einbruch bemessen werden statt am Erwerbseinkommen im Jahr vor der Geburt. Und damit auch Paare mit Kinderwunsch nun nicht abgeschreckt werden, sollten in der nächsten Zukunft Lohnersatzleistungen wie das Kurzarbeitergeld angerechnet werden. So könnte die Entscheidung für ein Kind sogar ein sicherer Hafen für Eltern werden, bis sich die wirtschaftliche Unsicherheit etwas aufgelöst hat. Die Gefahr eines Geburtenknicks würde abgemildert – das hilft nicht nur werdenden Eltern und Familien, sondern dem gesamten Land.