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Corona in KatalonienZurück in den Lockdown

In Spanien steht erstmals seit der Lockerung wieder eine Großstadt unter Quarantäne. Unter Erntehelfern hat sich das Virus stark verbreitet.

Lleida, Spanien: Hier werden Plattpfirsiche gepflückt – und Coronaviren weitergegeben Foto: Nacho Doce/rtr

Madrid taz | Katalonien macht in der Coronakrise einen großen Schritt zurück. Am Samstagmorgen verkündete Quim Torra, Regierungschef der autonomen Region im Nordosten Spaniens, „eine schwierige Entscheidung“: „Wir haben einen erneuten Lockdown für den Landkreis Segrìa beschlossen“, erklärte er. Ab 12 Uhr mittags unterliege die Region mit über 200.000 Einwohnern in 38 Gemeinden, darunter die Großstadt Lleida, wieder erheblichen Einschränkungen.

Wer keine behördlich Erlaubnis hat, darf den Landkreis nun zunächst für die kommenden zwei Wochen weder betreten noch verlassen. Eine Erlaubnis gibt es nur aus wichtigen, hauptsächlich beruflichen Gründen. Zwar bleibt die Mobilität innerhalb des Landkreises erhalten, doch dürfen sich nicht mehr als zehn Personen versammeln. Öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder bleiben geschlossen.

Sieben von neun neuen Infektionsherden, die in Katalonien seit Ende des Notstands und der damit verbunden vollständigen Öffnung Spaniens Ende Juni ausgebrochen sind, befinden sich in Segrìa. In dem Landkreis, vor allem in Lleida, waren am Wochenende mehr als 4.000 Fälle von Covid-19-Erkrankten bekannt.

Jetzt soll das Kreiskrankenhaus eine zweite Covid-19-Abteilung mit zusätzlichen Intensivbetten einrichten. Mit mehr als 28.000 Toten und knapp 250.000 Infektionsfällen war Spanien eines der am schwersten von Corona betroffenen Länder. Inzwischen ist die Zahl der aktuell Infizierten insgesamt aber stark gesunken.

Junge Saisonarbeiter ohne Symptome

„Die Krise in Lleida ist nicht nur ein sanitäres Problem, sie hat auch eine starke soziale Komponente“, erklärte die katalanische Gesundheitsministerin Alba Vergés. Die meisten Fälle wurden unter den rund 30.000 Saisonarbeitern erfasst, die derzeit in dem Landkreis Obst ernten. Sie sind meist jung und viele haben trotz einer Corona-Infektion keine Symptome. Gerade das macht die Lage gefährlich.

Die Gesundheitsbehörden führen nun unter Hochdruck Tests in den Unternehmen durch. Die Alarmglocken schrillten, als auch in der Provinz Girona im Norden Kataloniens sowie im Zentrum der Region Neuinfektionen verzeichnet wurden, die sich direkt auf Menschen aus Segrìa zurückführen ließen.

Zuvor waren bereits in den vier angrenzenden Landkreisen in der Nachbarregion Aragón wenige Tage nach Ende des Notstands erneute Beschränkungen ausgerufen worden. Wie in Segrìa leben auch diese Landstriche vom Obstanbau. Auch dort sind die meisten Erkrankten Erntearbeiter.

„Covid-19 bringt ein Problem ans Tageslicht, das die Regierung in Katalonien, aber auch die in Madrid, seit mehr als 30 Jahren ignoriert“, erklärt Agusti Liñan von der Organisation „Obst und soziale Rechte“, die sich seit Jahren um die Bedingungen auf dem Land in Katalonien kümmert, gegenüber der taz. Die Arbeiter, meist Immigranten, verdienten weniger als den Mindestlohn und lebten unter miserablen Umständen.

Hausen in velassenen Garagen

Dieser Tage zeigt die Presse Bilder von Ernte­helfern, die eng zusammengepfercht in verlassenen Garagen oder Wohnungen hausen. „Sicherheitsmaßnahmen wie der Mindestabstand auf Arbeit werden nicht eingehalten“, sagt Liñan. „Was wir jetzt erleben, ist das direkte Ergebnis einer intensiven Landwirtschaft in Händen großer Unternehmen“.

Katalonien ist nicht die einzige Region, die mit neuen Infektionsherden kämpft. Auch im Nordwesten Spaniens, in der galicischen Stadt Lugo, wurde am Sonntag über 70.000 Menschen ein Lockdown verhängt, der allerdings nur fünf Tage dauern soll. Für kommenden Sonntag hat der konservative Regierungschef, Alberto Núñez Feijóo, eine vorgezogene Neuwahl angesetzt und die Menschen sollen unbedingt wählen gehen. Er will um jeden Preis davon profitieren, dass seine politischen Gegner, die in Madrid regieren, durch die Covid-19-Krise politisch angeschlagen sind.

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