Corona in Asylunterkünften: Hotels mit Abstand
In Flüchtlingsheimen ist es schwierig, die soziale Distanz einzuhalten. Sozialsenatorin Elke Breitenbach prüft nun, ob sich Hotels als Lösung eignen.
taz |
In Flüchtlingswohnheimen steht BewohnerInnen ein Wohnraum von 6 Quadratmetern zu. Das heißt, dass sich oft zwei Menschen, die nicht miteinander verwandt sind, ein 12 Quadratmeter großes Zimmer teilen müssen. Einen Mindestabstand zueinander kann man so nicht einhalten. Das klappt auch nicht auf den schmalen Gängen, in den Küchen und in den gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen, die sich bis zu 50 Menschen teilen müssen.
In Obdachlosenunterkünften, in die die Bezirke Menschen einweisen, die keine Wohnung finden, sind die Platzverhältnisse ähnlich. Hier wohnen oft anerkannte Asylberechtigte, aber auch wohnungslos gewordene deutsche Menschen oder EU-BürgerInnen. Etwas günstiger ist es in Containerwohnheimen, wo „nur“ vier Personen gemeinsame Küchen und ein Bad nutzen, sowie in Wohnheimen, die früher einmal Hotels waren, wo jedes Zimmer über eigene Sanitäreinrichtungen und manchmal über eine eigene Kochnische verfügt.
Das beengte Wohnen macht es dem Coronavirus leicht, sich in diesen Wohnheimen auszubreiten. Nach Angaben von Elke Breitenbach leben aktuell 24 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen in 13 verschiedenen Asylunterkünften. Hinzu kommen 11 positiv getestete Menschen in einem als Quarantäneunterkunft ausgewiesenen Heim in Pankow, das seit Mitte April in Betrieb ist. Weitere 111 Personen stehen als Kontaktpersonen in mehreren Asylheimen unter Quarantäne, die sich aber wegen der räumlichen Nähe zu den Nachbarn sehr schwer durchsetzen lässt. Für die Obdachlosenheime fehlt eine Statistik. Aktuell steht keine Unterkunft vollständig unter Quarantäne.
Politische Debatte um Pandemie fehlt
Das Thema ist weit über den Kreis der BewohnerInnen hinaus bedeutsam für Berlin, denn nicht wenige der 20.000 in Asylunterkünften Lebenden sowie der wahrscheinlich ebenso großen Zahl in bezirklichen Obdachlosenheimen arbeitet in systemrelevanten Berufen:Sie sind in der Altenpflege tätig, putzen in Krankenhäusern oder fahren Busse durch Berlin.
Berlin hat verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um die Ausbreitung des Coronavirus in Gemeinschaftsunterkünften einzudämmen. So werden seit März neu ankommende Asylsuchende auf Corona untersucht. Große Speisesäle werden nicht mehr genutzt, vielmehr sollen BewohnerInnen auf ihren Zimmern essen. Die Unterkünfte werden nach Angaben von Breitenbach häufiger gereinigt und die Toiletten mit Seife, Reinigungsmitteln und Papierhandtüchern ausgestattet. Vor Corona war jeder Bewohner selbst für den Kauf von Seife und Handtuch verantwortlich, bewahrte das im Zimmer auf und musste es zur Toilette mitnehmen – oder auch nicht.
https://taz.de/Schutz-vor-Corona-fuer-Gefluechtete/!5673786&s=sachsen+asyl/Elke Breitenbach ist klar, dass sie die Unterbringung von Flüchtlingen und Obdachlosen in Hotels nicht aus ihrem eigenen Haushalt bezahlen kann. Die Finanzierung müsste Teil eines Nachtragshaushalts sein. Es bedarf einer politischen Debatte über den Schutz während einer Pandemie für Asylsuchende und Obdachlose.
Grobe Berechnungen haben ergeben, dass die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung einer Person im Hotel zwischen 1.500 und 2.000 Euro kosten würde, sagt Breitenbach der taz. Freie Hotels sind reichlich vorhanden. In den vorhandenen Wohnheimen sollen weiterhin BewohnerInnen bleiben, allerdings mit einer geringeren Belegungsdichte. Auch das koste mehr Geld.
Umzug in leerstehende Ferienwohnungen
Die Forderungen des Berliner Flüchtlingsrats gehen über das Vorhaben der Sozialsenatorin hinaus. Er fordert die sofortige Verlegung von Angehörigen von Risikogruppen in Wohnungen oder Zimmern mit eigenem Bad und Küche sowie die sofortige Schließung aller Flüchtlingsunterkünfte mit Gemeinschaftsbädern und -küchen.
Nach der Forderung des Flüchtlingsrats sollen die BewohnerInnen solcher Unterkünfte in leer stehende Ferienwohnungen oder Aparthotels umziehen. Der Rat verweist darauf, dass die Verwaltungsgerichte Leipzig und Dresden Ende April Eilanträgen von Asylsuchenden auf Entlassung aus Massenunterkünften mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz stattgegeben haben. Breitenbach hält die sächsischen Urteile aber für nicht übertragbar.
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