Corona-Strategien der EU: Wo bleiben die Coronatests?

Die WHO empfiehlt, flächendeckend zu testen und Infizierte zu isolieren. Die EU-Länder halten sich nicht daran, sondern verhängen Kontaktsperren.

Corona Test und lila Plastikhandschuh

Abstrich für das Testverfahren Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BRÜSSEL taz | Nach Deutschland hat nun auch Großbritannien ein weitgehendes Ausgangsverbot eingeführt. In besonders betroffenen Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich gelten sogar noch schärfere Maßnahmen. Doch das reicht immer noch nicht aus, um die Krise einzudämmen, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO: Die Länder müssten noch viel mehr Tests durchführen und die Kranken isolieren.

WHO-Experte Mike Ryan warnt in der BBC: „Die Gefahr bei den Ausgangsbeschränkungen ist: Wenn wir keine scharfen Gesundheitsmaßnahmen beschließen, droht sich das Virus wieder zu verbreiten, wenn die Bewegungseinschränkungen wieder aufgehoben werden.“ Worauf man sich wirklich konzentrieren müsse: „die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren“, sagt er.

Doch daran hält sich bisher kaum ein EU-Land. An einigen Grenzen und in „Drive-through“-Stationen für Autofahrer wird zwar getestet. Doch von einer aktiven Suche nach Kranken kann keine Rede sein – im Gegenteil: In den meisten Ländern wird den Infizierten empfohlen, zu Hause zu bleiben und keinen Test durchzuführen.

So will es auch die EU-Kommission in Brüssel. Mitte März hat sie eine Strategie vorgelegt, an die sich die 27 EU-Staaten beim Testen halten sollen. Demnach soll vor allem in Krankenhäusern getestet werden – und auch dort vor allem Patienten mit ernsten Atemwegsbeschwerden, andere nicht.

Die EU folgt ihrer eigenen Behörde mehr als der WHO

Wie ist dieser Widerspruch zu den WHO-Empfehlungen zu erklären? Die taz hat bei der EU-Kommission nachgefragt. Man folge immer den Empfehlungen der WHO und des europäischen Präventionszentrums ECDC, teilte ein Sprecher der Behörde mit. Allerdings verfolge nicht jedes Land dieselbe Strategie, was mit der Zahl der Coronafälle und der unterschiedlichen Ausgangslage zusammenhänge.

„Deshalb hat die Kommission die Empfehlungen für Teststrategien veröffentlicht – um den Mitgliedstaaten zu helfen, Prioritäten beim Testen zu setzen, die auf der wissenschaftlichen Expertise des ECDC beruhen“, betont der EU-Sprecher.

In der Praxis scheint sich die Kommission also mehr an der EU-Behörde ECDC auszurichten als an der WHO. Und die ECDC spricht keine Empfehlung für flächendeckende Coronatests und die systematische Isolierung von Erkrankten aus. Der letzte Bericht der EU-Experten befasst sich vielmehr mit „social distancing“ – also den Kontakt- und Ausgangssperren.

Diese sollten mit einem „Enddatum“ versehen werden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu gefährden, fordert die ECDC. Doch auch an diese Empfehlung hält sich bisher noch kein EU-Land – im Gegenteil: Italien, Frankreich und Belgien haben bereits eine unbefristete Verlängerung der Ausgangssperren angekündigt. Die Hoffnung, dass Ostern endlich Schluss ist, verfliegt.

Dies hängt auch mit den fehlenden Testprogrammen zusammen. Denn bisher verfügen die meisten EU-Staaten nicht einmal über genug Tests, um alle Ärzte und Krankenschwestern regelmäßig durchzuchecken. Auf die naheliegende Idee, die Verbreitung der offenbar knappen Coronatests gezielt zu fördern, ist man in Brüssel noch nicht gekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.