Corona-Krise in China: Kampagne gegen Ausländer
In der Corona-Krise hat in China die Diskriminierung von Ausländern stark zugenommen. Die Regierung schürt Furcht vor „importierten Virusfällen“.
Einer der Betreiber, selbst kanadischer Staatsbürger, versucht sich zu rechtfertigen: „Es gibt sehr viele Sicherheitschecks in unserem Viertel, und natürlich ist die Situation generell sehr angespannt.“ Es gebe keine offizielle Anweisung, Ausländer abzuweisen, doch Nachbarschaftskomitees und Wachmänner stünden unter Druck, die Order umzusetzen und möglichst keinen Ärger zu bereiten.
Die sozialen Medien sind derzeit voll von Berichten ausländischer Bewohner, die in Supermärkten abgewiesen und auf der Straße angepöbelt werden oder um die auf Gehsteigen ein Bogen gemacht wird. Hotels, Friseursalons und selbst Wohnanlagen sprachen Verbote für ausländische Gäste aus.
Schon Mitte März schrieb die deutsche Botschaft in Peking in einer Rundmail: „Wir hören zudem, dass immer häufiger ausländische Personen nach ihrem Einreisedatum nach China gefragt werden. […] Bitte tragen Sie deshalb Ihren Reisepass bei sich.“
Angst vor „zweiter Viruswelle“
Chinas Behörden fürchten eine zweite Viruswelle, die womöglich von importierten Fällen aus dem Ausland befeuert wird. Am Mittwoch nannte die Nationale Gesundheitskommission die neuesten Zahlen: 36 Neuinfektionen, davon 35 von Einreisenden.
Am letzten Freitag hat China seine Grenzen dichtgemacht, wobei zuvor schon die meisten internationalen Flugrouten gestrichen wurden. Die meisten Ausländer mit Sitz in China, die gerade außer Landes waren, konnten nicht mehr zurrück. Dabei ist die radikale Abschottung populistisch. Denn bis zu 90 Prozent aller importierten Fälle stammen von chinesischen Staatsbürgern, die der Einreisestopp nicht betrifft.
Das Virus politisiert
Doch das Narrativ, das die Virusgefahr von Ausländern stammt, ist der Zentralregierung eine willkommene Ablenkung vom anfänglich eigenen Vertuschen der Virengefahr. „Es ist natürlich nicht so, dass jeder Ausländer hier angegriffen wird. Das wäre eine deutliche Übertreibung“, sagt Anthony Tao vom Online-Medium Sup China: „Aber es gab in letzter Zeit so viel mehr Fälle von Diskriminierung, dass wir die nicht einfach als unerheblich abtun sollten.“
Er hoffe zwar, dass die neue Xenophobie spätestens mit dem Ende der Pandemie auch verschwinden wird. Aber: „Ich habe natürlich Gründe, skeptisch zu sein.“ Vor allem seit die USA und China das Virus derart politisiert haben. So sprach US-Präsident Donald Trump mehrfach vom „Chinavirus“ und Pekinger Diplomaten verbreiteten krude Verschwörungstheorien, dass möglicherweise das US-Militär das Virus nach China gebracht habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen