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Corny Littmann darf nicht in Rote FloraKeine Bühne für Theaterchef

Bei den Lesetagen ohne Atomstrom wollte Corny Littmann Lieder von Rio Reiser singen – in der Roten Flora. Dort aber sind „Gentrifizierer“ nicht willkommen.

Unerwünscht auf der Bühne in der Roten Flora: Corny Littmann. Bild: dpa

Was würde wohl der alte Rio Reiser dazu sagen? Dem Frontman der Band „Ton Steine Scherben“ ist am 24. April ein Abend der Gegenveranstaltung zu den Vattenfall Lesetagen „Lesen ohne Atomstrom“ gewidmet. Welcher Ort wäre dafür schon besser geeignet als ein besetztes Haus, dachten sich die Organisatoren aus dem Kreis der Band – und wählten die Rote Flora. Doch dort sind nicht alle Weggefährten Reisers willkommen. Corny Littmann hat das Flora-Plenum nun ein Bühnenverbot erteilt.

Eigentlich sollte Littmann, der seit 1977 mit Reiser befreundet war, das Lied „Irrenanstalt“ singen, dass er selbst für Reiser geschrieben hat. Und neben Jan Plewka und einem weiteren in der Szene nicht unumstrittenen Überraschungsgast die Lesung des Journalisten Hollow Skai musikalisch begleiten. Reiser sang Parolen wie „Keine Macht für Niemand“ oder „Das ist unser Haus – ihr kriegt uns hier nicht raus“, die das Lebensgefühl der Linken bis heute prägen.

Doch für die Rotfloristen hat Littmann längst das Lager gewechselt – und ist heute vor allem eins: eine treibende Kraft der Gentrifizierung St. Paulis. Er sei federführend an der Teilprivatisierung des Spielbudenplatzes und der damit einhergehenden Vertreibungspolitik beteiligt gewesen, erklärt das Plenum der Roten Flora den Schritt.

2006 hatte der damalige St. Pauli-Präsident und Schmidt-Theater-Chef als einer der Geschäftsführer der neu gegründeten Spielbudenplatz Betreibergesellschaft mbH verkündet, dass der aufpolierte und mit zwei riesigen, mit 2,6 Millionen Euro von Vattenfall gesponserten Bühnen versehene Platz wieder „der attraktivste Platz in Deutschland“ ist. Heute sieht auch Littmann diese Entwicklung des Spielbudenplatzes kritisch.

„Wir finden die Bühnen ziemlich scheußlich“, sagt Littmanns Assistent Lukas Nimscheck. Weil es an Technik und einem Bühnenhinterraum fehle, sei die Ausstattung völlig unzureichend, spricht Nimscheck von einem „Griff ins Klo“.

Ein weiterer Grund für die Absage ist Littmanns Position in Sachen Esso Häuser. Er klüngele mit der Bayrischen Hausbau GmbH gegen die Initiative zum Erhalt der Esso Häuser, so der Vorwurf der Rotfloristen. Die Initiative kritisiert, dass Littmann dem Investor im März 2012 Räume zur Verfügung gestellt hat, nachdem der FC St. Pauli zurückgerudert ist. Aus Solidarität mit der AnwohnerInneninitiative gegen Gentrifizierung gebe es keine Bühne für Corny Littmann.

Littmann selbst, der derzeit auf Kuba weilt, versteht die Debatte um seine Person als „einen herrlichen Witz am frühen Abend“. In einer SMS an seinen Assistenten schreibt er zur Flora-Entscheidung: „Keine Ahnung, ich war da lange nicht, aber es gibt ja Hausverbote, die einen zur Ehre gereichen. Mal hören, was die Begründung ist.“

Wenn Littmann wieder in Hamburg ist, wollen die Beteiligten einen Anlauf starten, den Streit doch noch beizulegen. „Wir werden uns bei nächster Gelegenheit mal mit allen beteiligten Künstlern und Corny Littmann zusammensetzen – und gemeinsam in aller Ruhe über die Vorhaltungen der Flora sprechen“, sagt der Sprecher von „Lesen ohne Atomstrom“, Oliver Neß.

Das Programm werde auf jeden Fall stattfinden. „Es geht ja nicht um einen Corny-Littmannn-Abend. Allemal wird es ein toller Rio-Reiser-Abend in der Flora werden.“ Am 19. April soll es eine Aussprache geben.

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12 Kommentare

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  • T
    tomas

    sind wir nicht alle ein wenig " GENTRIFIZIERER " ...,

    oder mehr gentrifizierung wagen, icke prenz'lberger seit 1985 habe

    hier schon 4 oder 5 mal den 80% austausch der bevölkerung verfolgt,

    heute regen sich die leute auf, die das vor jahren ja hier selbst

    betrieben haben..., das ist schon lustig zuverfolgen, aber die erfahrung

    hat mich gelehrt, ich war schon vor den meisten neuberlinern hier, und

    werde noch hier sein wenn sie schon wieder weg sind...,

    also mehr gelassenheit...,

    nie wieder krieg, nie wieder faschismus, nie wieder zweite liga...,

    weltpokalsiegerbesieger...,

    grüsse nach hamburg

  • BU
    Barbara Uduwerella

    @ Uwe R.

    Sie outen sich als einer, der nie die Flora von innn gesehen hat.

    Nicht jeder, der in die Flora reingeht, gehört zum Nutzer- Team.

     

    Machen Sie sich nicht lächerlich! Wenn die Theatergruppe der NPD bei Littmann auftrten wil, wird er denen auch nicht die Genehmigung ertilen. Sind alle Eigentümer, Besitzer oder Nutzer Nazis, wenn sie nicht Hinz und Kunz Nutzungsrechte zubiilgen?

    Ich finde es richtig, dass er dort nicht auftrten kann. Er hat selber Räume, die er nutzen könnte.

     

    Genauso lächerlich sind auch die Gerüchte, die man in dieser Angelegenheit von Jan Delay in manchen Medien verbreitet hatte. Er wird sich wohl selbst noch bei entsprechenden Medien zur Wehr setzen. Dieser junge Mann war immer schon sehr sozial eingestellt und half und hilft Freunden, wo immer er kann.

     

    Möge Littmann die Bühnen veranstalten, die durch seine Mitwirkung den Spielbudenplatz verschandeln oder den Rum auf Kuba genießen.

  • M
    MiaMia

    Mich würde interessieren, welchen konkreten Menschen denn mit solcher Veranstaltung oder ggf. mit Entscheidungen für oder gegen Veranstaltungen geholfen oder eben nicht geholfen wird.

    Linke Politik begründet Ziele und Mittel und diskutiert, für wen konkret und gegen welche konkreten Zwänge sie nützen soll.

    Das kommt mir in dem, was ich verstreut lese, zu kurz. Stattdessen habe ich den Eindruck, es geht um Aufmerksamkeit suchende Menschen, die qua Selbsternennung LINKS sind (und echter links etc.):

    Elch gegen Ex-Elch-Trallala.

     

    Ich wünsch mir eine Presse, die in den Artikeln die zu Wort kommenden AkteurInnen konkret nach dem "wem nützt es" befragt. Damit das in die Debatte aufgenommen werden kann.

     

    Schade sonst---

  • UR
    Uwe R.

    mir wird schlecht, wenn ich die Selbstverliebte sogenannte Linke in der Flora sehe. Hier treffen sich die unzufriedenen Wichtigtuer, die sich von gesellschaftlichen Fehlern frei sagen wollen, aber selbst nicht danach leben. Ich kenne viele von euch, die meinen, sich soziale gesellschaftliche Gerechtigkeit, untertan zu machen wenn keiner hinschaut.Schön getreu dem Motto „scheiße, nie gearbeitet und Versichert gewesen und nu Zahnweh“ da melde ich mich doch schnell arbeitslos und lass mir vom Klassenfeind ne neue Fresse finanzieren. Ihr seit nicht Fehlerfrei, sondern nur nicht der Rede wert. Das ach so wichtige Plenum hat beschlossen:-) lächerlich.

  • A
    Altonaerin

    Rote Flora:

    CHAPEAU !

  • M
    MeineGüte

    Wer kam überhaupt auf die absurde Idee, Littman in die Flora reinzulassen? - Nunja, besser spät wieder ausladen als den schon lange nicht mehr Linken sich schmücken lassen zu können.

  • A
    Altonaerin

    ROTE FLORA

     

    CHAPEAU!

  • SH
    Sankt HSV

    Bevor Rio Kommerz wurde, hätte er vielleicht gesagt:

    "Während Tausende für Kapitalmärkte geselbstmordet werden, betreiben solche Typen Sklavenhandel mit Profisportlern, anstatt sie als Rettungspakete zu verschnüren und direkt zu den Scheichs in die Wüste zu schicken."

     

    Ansonsten veranstaltet die Rote Flora ja eh keine Konzerte, sondern externe Gruppen und die sollten sich vielleicht mal früher melden.

  • M
    mimi-kri

    Solchem unfreundlichen, verlogenen Kotzbrocken würde ich auch keine Bühne bieten!

     

    Der hat doch seine eigene zur Selbstdarstellung, wo Muttis und Papis aus dem Speckgürtel und der Provinz sich brüllend die Schenkel klopfen.

  • Q
    quer-ulantin

    Opportunisten und unsympatische Schaumschläger müssen leider draussen bleiben!

     

    Der steht doch noch nicht mal mehr ansatzweise hinter Rio Reisers Texten!

  • GM
    Georg M.

    Man kann von der Flora ja halten, was man will, aber diese Entscheidung findet absolut meine Zustimmung. Hatte mich schon gewundert, als ich in den Ankündigungen gelesen hatte, dass Littmann da auftreten soll.

  • KL
    Kena Laiser

    Was würde Rio Reiser sagen? Gar nichts. Der würde kotzen, wenn der die Linke heute sieht. Und weinen, wenn er sähe, was Claudia Roth aus seinem Vermätchnis gemacht hat.