■ Querspalte: Cool water boy
Die meisten denken ja, dünn sein ist toll. Und es ist auch nicht schlecht. Das Beste ist eigentlich, daß man selten in die Verlegenheit kommt, sich in zu enge Sachen reinklemmen zu müssen. Aber man friert leicht.
Viele junge dünne Männer, die ihre zarte Figur noch durch körperbetonte Kleidung betonen, machen optisch was her, und wenn auch Gesicht und Frisur hübsch sind, dreht man sich nach ihnen um und guckt noch mal genau hin. Aber was soll man mit denen reden? Sie rauchen Filterzigaretten, laufen monatelang durch die Läden auf der Suche nach der richtigen Wrangler, die, wie mir ein Freund sagte, dünnen Menschen besonders gut stehen, und nippen gerne Sekt. Das ist schön. Gut aussehen wollen wir alle. Manche lassen sich sogar die Zähne richten. Dann stehen sie nächtelang in Clubs und gucken, wie die anderen aussehen.
Dabei ist es, jedenfalls im Heterobereich, doch eben so, daß Männer mit einem gewissen Pub-belly und begrenztem Narzißmus attraktiver sind und mehr Sex- Appeal haben. Sie riechen auch seltener nach den gräßlichen Männerparfüms. Neulich im Kino kam die Werbung mit dem „Cool water boy“, diesem bedauernswerten Geschöpf, das für so ein Stinkewasser von einer aberwitzig-gefährlichen Klippe runterspringen und kraftvoll delphinierend das Meer durchpflügen muß. Er stellt ein anderes Männermodell dar. Er ist nicht der smarte, androgyne Jüngling, sondern der enthaarte Neandertaler mit dem sogenannten Waschbrettbauch.
Angesichts dessen seufzte mein gescheiter und gutaussehender Begleiter mit einem echten Anflug von Verzweiflung, daß ihm solche Überkerle Minderwertigkeitsgefühle einhauchen würden. Dabei kenne ich keine Frau, die vom „Cool water boy“ träumt, wohl aber von dem Mann neben mir im Kino.
So schaut's aus, und das weiß auch jeder, und trotzdem verkörpert die Werbung irgendwie das begehrenswerte andere. Katrin Schings
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