Computerkriminalität trifft Umweltsünde: Hacker helfen Regenwaldgangstern
In Brasilien sollen Computerkriminelle Holzfirmen geholfen haben, Kontrollen der Regierung auszuweichen. Laut Greenpeace gingen so 1,7 Millionen Kubikmeter Holz in dunkle Kanäle.
Im brasilianischen Bundesstaat Para gelten eigentlich strenge Regeln, die dafür sorgen sollen, dass der dortige Amazonas-Regenwald nicht stärker abgeholzt wird, als er auf längere Sicht wieder aufgeforstet werden kann - internationale und lokale Richtlinien geben das vor. Die Regierung nutzt zur Kontrolle ein modernes Computersystem, über das entsprechende Waldwirtschaftsgenehmigungen bezogen werden können. Gleichzeitig speichert es, wer wo wie viel Holz geschlagen hat, um sicherzustellen, dass es nicht zu unnötig starken Zerstörungen kommt - die aktuellen Vorgaben dazu stammen von den örtlichen Umweltschutzbehörden.
Mehrere große und kleine Holzfirmen sollen sich nun High-Tech-Gangstern bedient haben, um die eigentlich als sicher geltende Regenwald-Überwachungstechnik zu umgehen. Wie die Umweltschutzorganisation Greenpeace berichtet, sollen Hacker falsche Genehmigungen für mindestens 1,7 Millionen Kubikmeter Holz erstellt haben, in dem sie das Kontrollsystem manipulierten. Das entspricht einer Baumstammmenge, mit der sich bis zu 780 olympische Schwimmbecken füllen ließen. Die Computergangster ließen sich dafür gut bezahlen. "Wir haben schon früher davor gewarnt, dass das Kontrollsystem umgangen werden kann", sagt Andre Muggiati, Greenpeace-Aktivist für das Amazonas-Gebiet. "Wir glauben, dass das nur die Spitze des Eisberges war."
Der Skandal könnte allein in Para ein geradezu unglaubliches Ausmaß haben: Wie Greenpeace von der brasilianischen Staatsanwaltschaft erfuhr, sollen mindestens 107 Waldwirtschafts- und Holzkohlefirmen die Dienste der Computerkriminellen genutzt haben. Hinzu komme, dass fast die Hälfte der Unternehmen anderweitige Strafverfahren anhängig hätten, darunter für schwerwiegende Umweltverbrechen und die Misshandlung von Arbeitnehmern. Der brasilianische Staat will die betroffenen Firmen nun auf über 620 Millionen Euro Schadenersatz verklagen, was dem Preis der illegal geschlagenen Regenwaldbäume entsprechen soll. Beweise sammeln die Behörden laut Greenpeace bereits seit gut anderthalb Jahren, erste Verhaftungen ergingen bereits 2007. Mehr als 200 Personen sollen insgesamt an dem Betrug beteiligt gewesen sein, das Überwachungssystem zu manipulieren.
"Durch den Einbruch in das Genehmigungssystem sorgten die Firmen dafür, dass ihre Holzlieferungen legal und den Waldwirtschaftsregeln entsprechend aussahen. In Wahrheit handelten sie aber mit illegalem Holz, was das Problem der Regenwaldzerstörung deutlich verschlimmerte", sagt Muggiati. Hinzu komme, dass die Technologie aus Para auch in anderen Waldgebieten Brasiliens eingesetzt wird, die Manipulation also auch in anderen Landesteilen vorkommen könnte.
Das Computersystem überwacht die bereits ausgelieferte Holzmenge und unterbricht dann die Ausgabe von Genehmigungen, sobald die Vorgaben erreicht sind. Die vom Rechner ausgegebenen Papiere werden an der Ausfahrt der Abholzungsgebiete überprüft. Da sich die Kontrolleure auf die Genehmigungen verließen, ohne die Gesamtmenge zu überprüfen, konnte der Betrug eine lange Zeit funktionieren.
Greenpeace nannte Brasilien in diesem Zusammenhang die "Hacking-Zentrale der Welt". Das scheint nicht nur für den Holzbereich zu gelten - bereits 2004 ermittelten Experten, dass zahlreiche Angriffe auf wichtige Computersysteme in dem südamerikanischen Land ihren Ausgang nahmen. Der Versand von unerwünschten Werbemails (Spam), der Versuch, Bankkonten abzuräumen (Phishing) sowie die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet gelten ebenfalls als große Probleme in dem Land. In den letzten Jahren verschärfte die Regierung deshalb die Gesetze, die bis dato als eher lasch galten.
Im Amazonas-Gebiet nimmt die Abholzung des Regenwaldes unterdessen erschreckende Ausmaße an. Allein 2007 gingen dort über 12.000 Quadratkilometer Fläche verloren. Der Regenwald spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des globalen Klimas, da er besonders viel CO2 aufnimmt. Außerdem ist er Heimat zahlloser zum Teil noch unbekannter Spezies in der Tier- und Pflanzenwelt.
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