: Computer für jeden Grundschüler
Nach langem Zögern hat die Regierung in Tokio gestern die Details des größten Wirtschaftsprogramms in der Geschichte Japans verkündet ■ Aus Tokio André Kunz
Mit einer Verspätung von fünf Stunden hat gestern Premier Ryutaro Hashimoto die Details zum größten japanischen Konjunkturpaket aller Zeiten bekanntgegeben. Umgerechnet 232 Milliarden Mark will er in den beiden kommenden Fiskaljahren zur Stimulierung der rezessionsgefährdeten Wirtschaft ausgeben. Der Löwenanteil von 168 Milliarden Mark fließt, wie beim letzten Mal, in neue Infrastrukturprojekte. Die regierende LDP ist überzeugt, daß der Bausektor die inländische Nachfrage am wirksamsten stärken kann und so eine Entlassungswelle in dieser Branche mit rund 10 Millionen Arbeitern verhindert wird. 21 Milliarden Mark sind für den „Informations-Superhighway“ vorgesehen. Japans Schulen werden bis zum Jahr 2005 an ein Netz von Glafaserkabeln angebunden, so der Plan. Jeder Primarschüler soll mit einem PC ausgerüstet werden.
Mit einer befristeten Einkommenssteuersenkung von 56 Milliarden Mark will die Regierung die Bevölkerung anreizen, mehr zu konsumieren. Eine vierköpfige Familie erhält damit ein Steuergeschenk von rund 1.000 Mark – verteilt auf die kommenden beiden Jahre. Viele Ökonomen in Tokio warnen, daß die Rechnung der Regierung nicht aufgehen könnte. Zu groß sei die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geworden. „Die Leute legen diese 1.000 Mark mit Sicherheit zurück, solange die Steuersenkung nicht permanent wird“, sagt Matthew Poggi, ein Volkswirt der US-Investmentbank Lehman Brothers in Tokio.
Gegen eine langfristige Steuersenkung hat sich das Finanzministerium gewehrt. Es hat vorgerechnet, daß die Verschuldungsrate in Japan bereits auf 4,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes gestiegen ist. Der Volkswirt Akio Yoshino von Credit Suisse First Boston rechnet mit einer Verschuldungsrate von über 10 Prozent für das laufende Fiskaljahr – mehr als dreimal soviel, wie die EU ihren Mitgliedern erlaubt.
Damit das Riesenpaket finanziert werden kann, will die Regierung in den beiden nächsten Jahren Schuldscheine für rund 170 Milliarden Mark ausgeben. Die restlichen 60 Milliarden sollen aus der staatlichen Postsparkasse genommen werden. Der Markt nahm das Konjunkturprogramm gestern positiv auf. Der Nikkei-Börsenindex ist um 1,6 Prozent gestiegen und übersprang damit wieder die Marke von 16.000 Punkten.
LDP-Generalsekrtär Koichi Kato verteidigte die Wirtschaftspolitik seiner Partei und Premier Hashimotos, der in den vergangenen Tagen aufgrund seiner zögernden Haltung unter Dauerkritik geraten war. Die Kehrtwende in Japans Wirtschaftspolitik ist mit dem Programm definitiv vollzogen: Tokio hat die Sanierung des hochverschuldeten Staatshaushaltes für zwei Jahre verschoben.
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