Commonwealth-Gipfel in London: Auf Wunsch Ihrer Majestät
Beim Commonwealth-Gipfel wurde die Fassade gewahrt. Doch die Empörung über den britischen Umgang mit karibischen Einwanderern war groß.
In seinem Umfang und Aufwand erinnert das Treffen, das am Wochenende zu Ende ging, fast an die Londoner Olympischen Spiele von 2012, auch weil in der Vorwoche des Gipfels die Commonwealth Games stattfanden, eine Art alternative Olympiade. Die Unkosten dieses Riesenaufgebots sind noch nicht bekannt, aber mit tickender Brexit-Uhr erwartete sich die Regierung von Premierministerin Theresa May wohl einiges an Gewinn.
In den Worten ihres Handelsministers Liam Fox: „Unsere gemeinsamen Werte, Regulationssysteme und gemeinsame Sprache haben das Potenzial, unseren Handel um 20 Prozent auszubauen – ein Handel, der bis 2020 500 Milliarden Pfund (570 Milliarden Euro) umfassen wird – und die Kosten für Mitgliedstaaten hierfür um 19 Prozent zu reduzieren.“ Dabei warb Fox ausgerechnet mit der Verlängerung des britischen Zugangs zum EU-Binnenmarkt während der Brexit-Übergangszeit bis Ende 2020.
Das Commonwealth, von Zynikern auch „Empire 2.0“ genannt, umfasst heute 2,4 Milliarden Menschen, ein Drittel der Weltbevölkerung, darunter auch Länder wie Ruanda und Mosambik, die keine koloniale Vergangenheit mit den Briten hatten. Inzwischen gibt es sogar ein Washington-Büro und einen „nordisch-baltischen Hub“ in Helsinki. Simbabwe und Gambia, einst ausgetreten oder ausgestoßen, kehren dieses Jahr zurück. Einige Staaten wie Myanmar, Israel, Ägypten, Irak und andere arabische Staaten, die als Exkolonien zur Mitgliedschaft berechtigt wären, sind nicht dabei, aber manche sind inzwischen nicht mehr ganz uninteressiert.
Es geht um Handel und um Dinge wie Demokratie, Menschenrechte, Frauenrechte, Umweltrichtlinien, Jugendförderung. Bevor sich die Spitzen trafen, diskutierten Delegationen in Spezialforen zu diesen Schwerpunkten.
Wollte die Regierung Großbritannien hier als Gastgeber glänzen, wurde sie jedoch zum Objekt scharfer Kritik. Zum einen waren LGBTQ-Gruppen enttäuscht, dass die Illegalität der Homosexualität in zahlreichen Staaten, ein Überbleibsel britischer Kolonialgesetzgebung, nicht zu einem Hauptthema gemacht wurde. Doch es kam schlimmer.
Die Windrush-Generation
Seit Monaten kursieren Berichte über behördliche Schikanen und sogar Abschiebungen der sogenannten Windrush-Generation – die erste Generation von Migranten aus der englischsprechenden Karibik, benannt nach dem ersten Schiff, welches solche 1948 nach London brachte. Obwohl per Gesetz alle diese Einwander*innen, die vor 1971 ins Land gekommen waren, automatisch die britische Staatsbürgerschaft haben, mussten viele in den letzten Jahren ihr Aufenthaltsrecht immer wieder neu nachweisen, denn mangels Ausweispflicht haben sich unter den Älteren viele nie um Papiere bemüht und ihre jahrzehntealten Einreisenachweise, die die Dauer ihres Aufenthalts belegen könnten, wurden ab 2010 von den Behörden vernichtet – auf wessen Veranlassung, bleibt unklar.
Auslöser waren Verschärfungen der Maßnahmen gegen illegale Einwanderer, nachdem Theresa May 2010 Innenministerin wurde. Bei Passanträgen und Überweisungen im Gesundheitssystem musste erstmals der Aufenthaltsstatus nachgewiesen werden. Schwarze Briten, die seit Jahrzehnten in Großbritannien lebten, standen urplötzlich unter Verdacht, illegal im Land zu sein.
Theresa May, seit 2016 Premierministerin, unterschätzte den Grad der Empörung bei Regierungschefs karibischer Staaten völlig. Als deren Verlangen nach einem Gespräch mit May am Wochenende vor dem Gipfel abgewiesen wurde, platzte ihnen der Kragen. Mit einer wütenden Anklage des schwarzen Labour-Abgeordneten David Lammy wuchs die Wut über den Umgang mit der Windrush-Generation zu einem Shitstorm.
Schockierende Schicksale zwischen 55 und 90 Jahre alter Migranten, die fast ihr Leben lang in Großbritannien gelebt hatten, wurden öffentlich: Einem wurde lebensrettende Krebshilfe verweigert, ein anderer verpasste die Heirat seiner Tochter, weil das Innenministerium ihm keinen Pass gab und ihn ausweisen wollte.
Nicht einmal das Erscheinen der königlichen Prinzen William und Henry samt ihrer Gemahlinnen beim Commonwealth-Gipfel vermochte die Stimmung zu retten. Erst Entschuldigungen sowohl von Innenministerin Amber Rudd und danach auch von Theresa May höchstpersönlich, glätteten die Windrush-Wogen ein wenig.
Maßnahmen gegen Einwegplastik
„Während eines Treffens mit den Staatsoberhäuptern der Karibik verpflichtete ich mich dazu, dass die britische Regierung alles Nötige tun wird, um die Ängste und Probleme, welche einige der Windrush-Generation erlitten, aufzulösen“, versprach May und stellte klar, dass die Betroffenen britisch seien und entschädigt würden. Für dieses Jahr geplante weitere Verschärfungen des Einwanderungsgesetzes im Zeichen des Brexit stehen nun infrage.
Unter diesen Umständen positive Gipfelschlagzeilen zu machen, war nicht so einfach: Maßnahmen gegen Einwegplastik, etwa ein Verbot von Plastikstrohhalmen, oder eine Commonwealth-weite SheTrade-Initiative für Frauen in der Wirtschaft brachten wenig Aufmerksamkeit.
Die galt am Ende des Gipfels fast nur der Frage der zukünftigen Führung des Commonwealths, die seit 1952 bei der inzwischen 92 Jahre alten Queen liegt. Zwar steht der Posten des „Head of the Commonwealth“ im Grunde allen offen, doch nachdem die betagte Dame mit der Krone sich vor den versammelten Staatsoberhäuptern persönlich für ihren Sohn Prinz Charles aussprach, fügten sich alle, darunter auch Staatsführer von Republiken wie Südafrika und Indien, in einer Abstimmung hinter verschlossenen Türen inmitten des Prunks des Windsor Palastes ihrem Wunsch.
Zuvor hatte Oma Elizabeth ihrem Enkel Harry noch das Amt des Commonwealth-Jugendbotschafters verliehen, ganz im demokratischen Geiste der Organisation.
Und während am Freitagabend in Brixton Hunderte von Menschen gegen die schlechte Behandlung der Windrush-Generation demonstrierten, genossen schon am Samstag viele Staatsgäste die britische Gastfreundschaft, um im Buckingham Palace zu „God Save The Queen“ den 92. Geburtstag Ihrer Majestät zu feiern.
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