Comicverfilmung „Aquaman“: Superheld in verpeilter Mission

Flipper ist jetzt ein Actionstar. James Wans Spielfilm „Aquaman“ lebt von den Attraktionen der Welt unter Wasser.

Zwei Personen sitzen in einem Unterwasserfahrzeug

Statt eines Raumschiffs tut es doch auch ein quallenartiges Unterwasserfahrzeug, oder? Foto: Warner

Unter dem Meer / wo wär das Wasser besser und nasser / als es hier wär.“ Die Vorzüge des Lebens unter Wasser, die Sebastian, die Krabbe aus „Arielle, die Meerjungfrau“, vor knapp 30 Jahren besang, sind kaum zu bestreiten. Umso erstaunlicher, dass dies Arthur Curry – den Aquaman immerhin! – nicht recht zu locken scheint.

Zwar superheldet er ein wenig im Wasser umher und rettet ein russisches Atom-U-Boot aus der Hand von übel gesinnten Piraten, indem er diese außer Gefecht setzt und das Boot per Hand an die Wasseroberfläche schiebt, was der Crew den Ausstieg ermöglicht. Doch nach einer Rückkehr in den Schoß seiner Familie (zumindest den seiner Mutter), ins nasse (weil bekanntlich untergegangene) Atlantis steht ihm nicht der Sinn.

Seine Familie legt ebenfalls keinen gesteigerten Wert auf Arthurs Rückkehr. Zwar ist er der Sohn von Atlanna, der Prinzessin von Atlantis – auch wenn Arthurs Papa bloß ein sterblicher Leuchtturmwächter ist –, doch würde das mit der Thronfolge in Atlantis durch einen zweiten Anwärter neben Arthurs Halbbruder und aktuellem Thronsitzer Orm nur unnötig kompliziert – findet zumindest Orm.

Im Grunde geht es in der Comicverfilmung „Aquaman“ also um einen großen Familienkonflikt, wie es sich in der Vorweihnachtszeit so gehört. Etwas größer als ein Streit unter Brüdern ist der Konflikt bei Regisseur James Wan (bekannt vor allem für das Horrorfilmuniversum „Saw“) letztlich natürlich schon. Schließlich ist „Aquaman“ Teil des inoffiziell so genannten DC Extended Universe, der Antwort des Comicverlags DC auf den Erfolg von Konkurrent Marvel mit dessen nicht enden wollender Reihe von Verfilmungen von Superheldencomics als sichere Geldanlage.

Vernichtungsschlag gegen die Welt

Worum geht es? Arthur wurde geboren durch die Liebe der Prinzessin Atlanna zu ebenjenem Leuchtturmwärter, als sie vor der Zwangsehe mit einem Adligen aus Atlantis floh. Nach einem Angriff von Soldaten der Unterseewelt auf Familienglück und Leuchtturm entschloss sich Atlanna aus Angst vor Vergeltung, in die Welt unter Wasser zurückzukehren. Dort bekam sie Orm als zweiten Sohn.

Während Arthur zwischen den Elementen hin und her wechselt, will Orm die Königreiche unter Wasser vereinen, um Ocean Master zu werden und über alle Lebewesen im Meer zu gebieten. Mit dieser Macht will er zum Vernichtungsschlag gegen die Welt an der Oberfläche ausholen, um der Verschmutzung und Zerstörung der Unterwasserwelt durch die Menschen an Land ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Dazu kommt ein zweiter Konflikt: Als Arthur das U-Boot von Piraten befreite, ließ er den Vater des Piratenanführers vor dessen Augen sterben. Der Anführer sinnt nun auf Rache an Arthur.

Nicole Kidman macht sich als Prinzessin Atlanna erstaunlich gut

Dann wird ein Treffen Orms mit einem der Unterwasserkönige durch einen U-Boot-Angriff unterbrochen. Dieser kontert mit einer Sturmflut, die Kriegsschiffe und einen Teil des Mülls, den Menschen im Meer versenkt haben, zurück an Land schleudert. Der Krieg zwischen Unterwasserwelt und Landbewohnern scheint bevorzustehen. Also entsendet Orms Hofberater Vulko, der Arthur nach Atlannas Rückkehr unter Wasser heimlich aufgezogen hat, eine Botschafterin zu Arthur. Mera, Tochter eines der Könige, die sich mit Orm verbündet haben, bittet Arthur, in die Unterwasserwelt zurückzukehren und Orm an der Umsetzung seines Plans zu hindern.

Nachdem die erste Herausforderung, die Arthur Orm großmäulig entgegenschleudert, im Desaster endet, aus dem er von Mera gerettet wird, bleiben Arthur nur die Flucht und die Hoffnung, den mythen- und superkraftbeladenen Dreizack des letzten Königs von Atlantis vor dessen Untergang zu suchen.

Unentwirrbar verwobenes Netz

James Wan inszeniert „Aquaman“ auf der Basis des Drehbuchs von David Leslie Johnson-McGoldrick und Will Beall recht geradlinig als Actionfilm. Er etabliert die Ausgangssituation, zeigt den Konflikt, schickt den Protagonisten auf die Suche nach dem dreischneidigen Artefakt (und natürlich sich selbst) und kommt auf den Konflikt zurück.

Wie zuletzt in „Wonder Woman“ folgt DC für seine Filmsparte damit einem dezidiert anderen Konzept als Marvel. Während Marvel auf ein unentwirrbar verwobenes Netz von Charakteren und Plots setzt, Filme und Serien miteinander verschränkt und bisweilen ganze Filme lang nur Plotspuren für Folgeprojekte in den nächsten zehn Jahren anlegt, legt DC bislang eher konventionellere Filme vor.

„Justice League“, bei dem als Drehbuch-Co-Autor Joss Whedon die Handlungsfäden marvelesk verknäulen durfte, dürfte DC angesichts gemischter Kritiken und – wichtiger – nur solider Einspielergebnissekaum zu weiteren Versuchen in diese Richtung verleiten. Lieber dreht DC solide Filme, greift sichere Einspielergebnisse ab und ist’s zufrieden.

Wie Disneys „Arielle, die Meerjungfrau“ lebt DCs „Aquaman“ zu erheblichen Teilen von den Attraktionen, die die Welt unter Wasser bietet. Statt superheldenmäßig zu fliegen, schwimmen die Bewohnerinnen und Bewohner der Tiefsee. Statt auf komplizierten Flug­maschinen angeschwebt zu kommen, reiten die Krieger unter Wasser auf Meeresbewohnern. Flipper ist jetzt ein Action Star.

Schönheit der Überwasserwelt

Nicht immer ist dieser Transfer ganz gelungen: Die Bilder von der Großstadt Atlantis sind recht konventionell geraten und beschränken sich darauf, durch leichte Verschwommenheit die Optik unter Wasser zu imitieren. Ganz nehmen lassen will sich der Film die Schauwerte über Wasser freilich auch nicht (zumal diese günstiger zu haben sind als die Computersimulation unter Wasser und sich dafür Filmförderung abgreifen lässt).

Also zockelt Arthur mit Mera auf der Suche nach dem Mythendreizack durch die Wüste und lässt sie die Schönheit der Überwasserwelt in Sizilien bewundern. Zumindest so lange, bis es zum Kampfplatz wird und diverse Häuser zu Klump gehauen werden.

Auch der in Superheldenfilmen schon rituell gewordene Sturz durch einstürzende Altbauten in ein immer neues skurriles Setting (diesmal mit einer sizilianischen Omi) mit folgendem flotten Spruch findet hier seinen Platz.

„Aquaman“ versüßt den Zuschauern das Superheldenbiedermeier der Blockbusterrefinanzierung mit einer Handlung, die die Wirrheit der Ursprungsgeschichte eher ausstellt, als sie zu begradigen. Das passt sehr gut dazu, dass die Ursprungsgeschichte von Aquaman als Comiccharakter seit der Erfindung der Figur 1941 gleich mehrfach neu erfunden wurde.

Zwischen figurbetont und idiotisch

Den langhaarigen Blondling der Comics durch Jason Momoa zu ersetzen, der den Pro­tagonisten leicht verpeilt spielt, war in jedem Fall ein guter Zug. Auch nach „Aquaman“ wünscht man sich weiterhin mehr kluge Frauenrollen in Superheldenfilmen. Nicole Kidman macht sich als Atlanna erstaunlich gut, und man würde ihr und Amber Heard (Mera) wünschen, dass die Kostüme künftig eine etwas andere Balance zwischen figurbetont und idiotisch finden (die Wedge-Absätze von Meras Kostüm dürften beim Schwimmen eher stören).

Auch im neusten Film des hauseigenen Filmuniversums zelebriert DC klassisches Popcornkino. „Aquaman“ verheißt knapp zweieinhalb Stunden unverfänglichen Kinospaß als Kontrastprogramm für die Zeit zwischen den Jahren – Familienkino mit Rums. Hauptdarsteller Momoa hat dem Vernehmen nach schon eine Idee für eine Fortsetzung vorgeschlagen.

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