Comeback des FC Barcelona: Babys fürs Prestige

Der angeschlagene FC Barcelona steht endlich mal wieder im Viertelfinale der Champions League. Zu verdanken hat das der Klub seinem Nachwuchs.

Ein fußballer mit Fußball auf dem Spielfeld.

Sensationell: Pau Cubarsí in seinem ersten Champions-League-Spiel Foto: aflosport/imago

BARCELONA taz | Am Ende nutzte Xavi den ersten glücklichen Europapokal­abend seit vielen Jahren noch für eine Abrechnung mit der Presse. „Es wurde gesagt, dass wir der Hofnarr der Champions League sind“, erinnerte der Trainer des FC Barcelona an die beißende Kritik der letzten Monate. Später in der Nacht fand das Sportland schnell heraus, dass er damit auf den Artikel eines angesehenen Klubreporters nach einer Vorrundenniederlage gegen Donezk anspielte. „So, und jetzt?“, fragte Xavi herausfordernd: „Was machen wir jetzt mit dem Narren?“

Nun, fürs Erste steht er endlich wieder im Viertelfinale, erstmals seit dem ziemlich närrischen 2:8 im Corona-Turnier 2020 gegen den FC Bayern. 3:1 schlug Barça die SSC Napoli nach einem 1:1 im Hinspiel, die Erleichterung im Ausweichstadion auf dem Olympiahügel Montjuic war immens, und der Stolz war es auch – denn der gepeinigte, hochverschuldete und wegen des Umbaus des Camp Nou derzeit heimatlose Verein hat diesen Schritt nach vorn bewerkstelligt, indem er sich radikal auf das Einzige besann, was trotz aller Krisen immer noch funktioniert – die Jugend.

Als erster Verein der Champions-League-Geschichte bot Barça in einem K.-o.-Spiel zwei Minderjährige in der Startformation auf: Lamine Yamal, 16, und Pau Cubarsí, 17. Auch Fermín López, 20, sollte die Saison ursprünglich bei Junioren und zweiter Mannschaft verbringen. López erzielte das 1:0, Cubarsí wurde von der Uefa zum MVP ernannt, Yamal demonstrierte, warum er mit Lionel Messi verglichen wird. Die „Babys“, wie sie die Fachpostille Sport nannte, gewannen dem Klub das Schicksalsspiel für Kasse und Prestige.

Flügelstürmer Yamal ist dabei fast schon ein alter Bekannter. Der Sohn einer Mutter aus Äquatorialguniea und eines marokkanischen Vaters aus der nahen Industriestadt Mataró hat schon etliche Altersrekorde gebrochen, er ist unter anderem jüngster Torschütze in La Liga und in der spanischen Nationalelf. Gegen Neapel forderte er vom Anpfiff weg den Ball, dribbelte die Gegner über rechts schwindlig und bereitete das 2:0 von João Cancelo durch einen perfekt getimten Pass vor.

Zwei in einem

Als wirkliche Sensation des Abends gilt aber Cubarsí, denn der ist Innenverteidiger. Wo Offensivspieler probieren und auch scheitern dürfen, bekleidet er eine Position, auf der jeder Fehler fatale Folgen haben kann. Aber Cubarsí stand nicht nur immer richtig und grätschte gegen Napolis kräftigen Starangreifer Victor Osimhen mehrere Konterchancen weg.

Er bereitete auch mit einem atemberaubenden Steilpass die erste Großchance vor und gab fortan eine regelrechte Lehrstunde gelungener Spieleröffnungen. Um es in Barça-Klubkunde zu sagen: Der Grünschnabel aus dem katalanischen 195-Einwohner-Dorf Estanyol wirkt wie die legendäre Innenverteidigung Puyol (Kampf) und Piqué (Spiel) vereint in einem Spieler.

Cubarsís Talente hatten sich angedeutet, seit er im Januar mit 16 in der Liga debütierte. Nun erklärte er nach seinem ersten Champions-League-Match so aufgeregt wie abgeklärt: „Wir haben Druck in Ambition verwandelt“. Von den anderen Bubis im Kader wurde er mit Pubertätsspäßen gefeiert, von den Altvorderen mit Worten. „Wir haben es mit etwas Wunderbarem zu tun“, sagte Xavi, ein „Leben im Klub“ prophezeite ihm Kapitän Sergi Roberto, 32.

Auch der Altmeister hatte gewichtigen Anteil an der Wiederauferstehung. Bis zu seiner Einwechslung stand das Spiel nach Neapels Tor zum 2:1 auf der Kippe, was kaum überraschen konnte, denn Barcelona fehlte ein komplettes Mittelfeld und damit die Spielkon­trolle. Sergio Busquets ist zum Messi-Klub nach Miami abgewandert, Frenkie de Jong ist ebenso verletzt wie Pedri und Gavi. In der Startelf war Ilkay Gündogan der einzig etatmäßige Mittelfeldspieler. Mit dem rekonvaleszenten Roberto fand er einen Gleichgesinnten, zusammen bereitete man herrlich den Endstand durch Robert Lewandowski vor.

Die Stimmungslage im Verein war danach so euphorisch, dass nun sogar über eine Revision von Xavis Rücktrittsankündigung zum Saisonende gemunkelt wird. Wie weit kann es für „Baby Barça“ noch gehen? Viel dürfte vom nächsten Gegner abhängen. Es soll auch Leute geben, die befürchten, dass man sich im Viertelfinale wieder zum Narren machen könnte.

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