College-Titelkämpfe im US-Basketball: Göttlicher Matchplan
Die US-College-Basketballmeisterschaft ist coronabedingt eine Wundertüte. Dem Team der Loyola-Universität aus Chicago hilft geistiger Beistand.
I m vergangenen Jahr fiel sie noch dem Virus zum Opfer, in diesem März ist sie wieder ausgebrochen, die March Madness. So verrückt wie in diesem Jahr ging es während des alljährlichen K.-o.-Turniers um die College-Basketballmeisterschaft allerdings selten zu. Das liegt zum einen an den pandemiebedingt ungewöhnlichen äußeren Umständen, zum anderen an den außerordentlich vielen sportlichen Überraschungen – und nicht zuletzt an einer 101 Jahre alten Nonne im Rollstuhl.
Wie jedes Jahr starteten 68 Männer- und 64 Frauenteams aus dem ganzen Land am vergangenen Donnerstag ins Turnier, am Osterwochenende werden die Halbfinals und die Endspiele stattfinden – das ist aber auch die einzige Normalität. Schon im Vorfeld ging es drunter und drüber, oft konnte nur eingeschränkt trainiert werden, Spiele mussten ausfallen, bei mehreren Mannschaften kam es zu Covid-19-Ausbrüchen. Die Folge war eine unvorhersehbare Saison: So konnten sich die Teams der Universitäten von Duke und Kentucky, die traditionell zu den besten im Lande gehören und in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Meistertitel gewinnen konnten, nicht einmal für das große K.-o.-Turnier qualifizieren.
Dieses K.-o.-Turnier wird erstmals in seiner mehr als 80-jährigen Geschichte in einem einzigen Bundesstaat durchgeführt. Um die Reiseaktivitäten möglichst gering zu halten, finden alle Frauenspiele in Texas, die der Männer in Indiana statt, der Großteil in Hallen in Indianapolis vor weniger Zuschauern als gewohnt. Die Arenen, so die lokalen Vorschriften, dürfen bis zu einer Kapazität von 25 Prozent gefüllt werden.
Bevor die Mannschaften anreisten, wurden alle Akteure getestet, infizierte Sportlerinnen und Sportler mussten zu Hause bleiben. Trotzdem wurde bereits ein Spiel abgesagt: Die Oregon Ducks erreichten kampflos die zweite Runde, weil beim Gegner von der Virginia Commonwealth University mehrere Spieler positiv getestet wurden.
Wettbewerb der Außenseiter
Auch ansonsten setzte es böse Überraschungen. Wie der Pokal hat auch die March Madness ihre eigenen Gesetze, das K.-o.-System sorgt traditionell für viele Favoritenstürze.
So viele Außenseitererfolge wie diesmal gab es allerdings noch nie – zumindest bei den Männern. Vor allem die Mannschaft der Loyola-Universität aus Chicago macht Furore. Nicht nur konnte das Team von der christlichen Hochschule, die vom Jesuitenorden betrieben wird, mit Illinois eine der besten Mannschaften aus dem Wettbewerb werfen, das Team stellt auch den größten Star der March Madness: eine 101-jährige Nonne.
Schwester Jean Dolores Schmidt, Seelsorgerin und Maskottchen der Loyola Ramblers, ist seit 2018 eine nationale Berühmtheit. Damals erreichte das Team sensationell das Final-Four-Wochenende, immer unterstützt von der damals noch 98-jährigen schmächtigen Person, die in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst Basketball gespielt hat und später als Trainerin arbeitete. Die Loyola-Universität vertreibt Sister-Jean-Merchandising-Produkte, vor dem Turnier stellte sich die Seniorin einer gut besuchten Zoom-Pressekonferenz der amerikanischen Presse. Und noch immer schickt sie dem Trainerstab vor jedem Spiel eine Einschätzung des Gegners und taktische Ratschläge, auch wenn sie wegen der Pandemie seit über einem Jahr nicht mehr in der Halle war.
Nun hat sie noch rechtzeitig ihre zweite Impfung bekommen, um das Team aus nächster Nähe zu unterstützen, wenn auch nicht vom Spielfeldrand aus, wie gewohnt. Die Nonne trägt zwar weiter einen Schal in den Teamfarben rotbraun und gold, aber ihr Rollstuhl steht nun in einer VIP-Suite unter dem Hallendach. Vielleicht weil der Weg nach ganz oben nicht mehr so weit ist, waren ihre Gebete bislang besonders erfolgreich. Vor dem Spiel gegen Illinois bat sie darum, „dass wir früh punkten und unsere Gegner so nervös machen“. Der göttliche Matchplan ging auf.
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