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Cohn-Bendit zu französischen Grünen„Das versteht ja kein Mensch“

Daniel Cohn-Bendit beklagt die Politik der Grünen in Frankreich und setzt seine Mitarbeit dort aus. Er fordert eine klare Zustimmung zum Rettungspakt und Fiskalpakt.

Macht erstmal nicht mehr mit bei den französischen Grünen: Daniel Cohn-Bendit. Bild: dpa
Rudolf Balmer
Interview von Rudolf Balmer

taz: Herr Cohn-Bendit, Sie lassen Ihre Mitgliedschaft bei den Grünen in Frankreich ruhen und haben die Ablehnung des Fiskalpakts durch die französischen Grünen als „unverantwortlich“ und „inkohärent“ bezeichnet.

Cohn-Bendit: Meine Reaktion bezieht sich nicht nur auf den Fiskalpakt. Es geht um den Zustand der Partei Europe Écologie – Les Verts (EELV). Bei dem Treffen am Wochenende wurden ja auch neue Statuten verabschiedet. Aber die Tatsache, dass die EELV innerhalb eines Jahres rund die Hälfte ihrer Mitglieder verloren hat, wurde überhaupt nicht diskutiert. Die Frage des Fiskalpakts kommt noch hinzu. Und da geht es nicht darum, ob das ein guter oder schlechter Pakt ist. Dieser ist die Fortsetzung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), und der ist der einzige Ansatz zur Vergemeinschaftung der Schulden und zu einer Solidarität in Europa.

Ist das eine Grundsatzfrage für die französischen Grünen?

Ich meine, es ist besser, Politik zu machen mit einer Regierung, in der man teilnimmt und so die Europapolitik mitgestaltet, als eine Entscheidung zu treffen, die letztlich niemand versteht. Auch wenn sie der gesetzlichen Verankerung der Schuldenbremse nicht zustimmen, werden sie den Haushalt verabschieden, der die Konsequenz des Fiskalpakts ist. Das versteht kein Mensch.

Weil die Partei EELV Teil der linken Regierungskoalition ist?

Die Grünen sitzen mit zwei Ministerposten in der Regierung, darunter die frühere Parteisprecherin Cécile Duflot. Sie nimmt in dieser Auseinandersetzung um den Fiskalpakt überhaupt nicht Stellung und geht einfach auf Tauchstation. Das ist absurd und unverständlich.

Der Ko-Vorsitzende

Daniel Cohn-Bendit (67) sitzt für die französischen Grünen seit 1999 im Europäischen Parlament und ist Ko-Präsident der Grünenfraktion.

In Deutschland wird bei den Grünen aber auch über den Fiskalpakt und den Europakurs diskutiert, es gab eine harte Auseinandersetzung zwischen Reinhard Bütikofer und Jürgen Trittin.

Man kann und darf ja den Fiskalpakt kritisieren, nur am Ende muss man Konsequenzen ziehen, und das sieht ja Reinhard Bütikofer auch. Nachdem jetzt dreizehn oder vierzehn Länder den Fiskalpakt ratifiziert haben, ist dieser ganz eng mit dem ESM verbunden – und den brauchen wir! Das ist nun mal so. Es gibt politische Auseinandersetzungen, die gewinnt oder verliert man. Danach muss man weitermachen. Der Solidarität können wir uns nicht entziehen, und das Instrument dazu ist der ESM.

Fiskalpakt und Grüne

Mit ihrer Ablehnung der Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts setzen die französischen Grünen die linke Regierungskoalition einer Belastungsprobe aus. Doch ist die Regierung nicht auf die Stimmen der Grünen angewiesen. Auch die bürgerliche Opposition wird fast geschlossen für die Ratifizierung votieren. Ihr Argument: Die Vorlage ist noch von Sarkozy und Merkel ausgehandelt worden. Seine Ablehnung durch die Parteileitung von Europe Écologie – Les Verts (EELV) wird von den Sozialisten dennoch als mangelnde Loyalität empfunden. Die Grünen aber sind der Ansicht, dass dieser Fiskalpakt der Krisensituation nicht angemessen sei und den angestrebten „ökologischen Übergang“ behindere. Die rechte Opposition in Paris fordert nun den Rücktritt der beiden grünen Minister. (bal)

Was schlagen Sie als Kopräsident der Fraktion der Grünen im EU-Parlament vor?

Ich bin ja gespannt, ob die deutschen Grünen für den Bundestagswahlkampf Europa zu einem zentralen Thema machen. Das ist noch nicht ausgemacht. Die Grünen haben Angst, mit der Bundeskanzlerin einen Auseinandersetzung zu führen über Europa. Man kann, wie dies Joschka Fischer getan hat, Merkels Europapolitik radikal kritisieren, ohne der Notwendigkeit einer Verantwortung auch in der Haushaltspolitik zu widersprechen. Die europäischen Grünen werden bestehen im Wahlkampf, wenn sie Solidarität und Verantwortung zusammenbringen.

Ist denn mit Europa eine Wahl zu gewinnen, da sträuben sich doch vielen Wählern einfach gleich die Haare?

Nun mal halb lang! Europa ist schwierig, zugegeben. Aber die Grünen kämpfen nicht um 50 Prozent – das würden sie wohl gern. Unsere Wählerschaft hat eine andere Sicht von Europa, wenn man das rational und mit Schmackes erklärt. Wir wollen bei der nächsten Bundestagswahl 15, 16 Prozent kriegen. Damit hätten wir einen politischen Hebel: Und für unsere Wähler ist es unabdingbar, eine klare europäische Position zu haben.

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10 Kommentare

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  • AB
    Andreas Brecht

    @Ralf

    Sorry aber eine "Haltefrist für Finanzprodukte" hat ja wohl mal gar nichts mit der (vorsichtig formuliert) unsoliden Haushaltsführung insbesondere (aber nicht nur) der "südlichen" EU Staaten und dem immer hemmungsloseren Griff in die Tasche insbesondere der deutschen Steuerzahler zu tun.

     

    Was D C-B betriff, ist es recht bezeichnend, dass er ausgerechnet dann zu hyperventilieren beginnt, wenn die Grünen (aus welchen Gründen auch immer)zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen sachgerechten Beschluss gefast haben.

  • S
    Suri2

    Endlich! Es wäre eine Wohltat für die Demokratie, wenn sich dieser Kriegshetzer aus der Politik zurückzieht!

  • O
    Overstolz

    Wenn eine Partei die Hälfte der Mitgliedschaft verliert, muss man darüber reden, na klar. Wie in Berlin, wo Künast auch 50% wollte und etwas weniger kriegte.

    Von Irland, Belgien und Frankreich bis Portugal, von Griechenland ganz zu schweigen, ist Europa in der schwersten Krise seines Bestehens. Zusammen mit den Aktionen der EZB wird der Europ. Stability Mechanism die notwendigen gesellschaftlichen Aufgaben für Arme, Alte, Kranke,Behinderte etc finanzierbar machen, schon jetzt z.B. durch gesunkene Zinsen.

    Das, was bei den schwachen europ. Institutionen organisiert werden kann, muss organisiert werden.Die 500 Mrd sind lächerlich gering im übrigen (nicht viel mehr als das Geld für die Rettung deutscher Schrottbanken wie der Hypo Surreal Estate, die heute "Deutsche Pfandbriefbank" heisst).

    Vor zwei Jahren, mit gemeinsam aufgelegten Schuldentilgungsscheinen(Eurobonds mit Senf)hätte Merkel es noch ganz billig haben können. Jetzt ist sie zum Spottobjekt geworden.

     

    Dass der Fiskalpakt sinnvoll sei, kann man hingegen nicht behaupten. Er wird bei den kommenden Volks- und Hungeraufständen sowieso zur reinen Kosmetik. Schon ca. acht Regierungen sind gefallen. Dany weiß das, sollte ein bisschen diplomatischer sein (er hält wohl nicht viel vom grünen Personal). Altvater hat den Fiskalpakt in der letzten "Le Monde Diplomatique" nach Strich und Faden auseinandergenommen.

  • T
    tollschocken

    Auf die Frage "Ist das eine Grundsatzfrage für die französischen Grünen?" antwortet Cohn-Bendit mit "Ich meine, es ist besser etcetc." Gell, das war halt schon immer sein Problem, zu denken, er ist der Nabel der Welt. Ich meine es ist völlig unerheblich, was Cohn-Bendit meint.

  • H
    Harald

    "Ich meine, es ist besser, Politik zu machen mit einer Regierung, in der man teilnimmt und so die Europapolitik mitgestaltet, als eine Entscheidung zu treffen, die letztlich niemand versteht."

     

    Übersetzt:

    Der grüne Wähler ist dumm wenn er die glorreiche Politik nicht so versteht, wie der Führungskader der grünen Bankenfreunde es will und alles was Cohn-Bandit nicht versteht, ist auch gar nicht wert diskutiert zu werden. Wenn es Cohn-Bandit nicht versteht, dann kann es keiner verstehen.

     

    Die Grünen in Deutschland sind zum Glück dumm und wählen brav die grüne Bankenmafia.

  • S
    Schläfer

    "...ist der einzige Ansatz zur Vergemeinschaftung der Schulden..."

     

    Na, Dani ist wenigstens ehrlich.

     

    Aber genau das, daß wir die Schulden der anderen bezahlen sollen, wollen die deutschen Wähler mehrheitlich nicht - ich auch nicht.

     

    Also, kein Kreuz bei den Grünen !

  • T
    T.V.

    Cohn-Bendit versteht doch auch kein Mensch, passt perfekt zusammmen. Versteh ich nicht.

  • R
    Ralf

    Da der Fiskalpakt und die Vergemeinschaftung der Schulden im wesentlichen dazu dient ein nicht nachhaltiges Finanzsystem zu stützen, stünde es gerade Grünen gut an, diesen Blödsinn nicht mitzumachen. Eher muß nach Wegen gesucht werden die Spielcasinos des Finanzkapitals zu schließen, z.B. durch eine Haltefrist für Finanzprodukte.Ich würde 4 Wochen für angemessen halten. Das nimmt dann auch die "Nervosität" aus den Märkten. Zudem können dann die Banken wieder ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen, nämlich die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen und nicht ihre Spekulationsgeschäfte mit Geld der EZB zu finanzieren.

  • M
    mondjunge

    Einen Sprecher der INSM mit Lobbyforderungen so zu Wort kommen zu lassen und ihn dann als "Grünen Politiker" zu deklarieren wo eigentlich "Sprecher der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" stehen sollte, ist echt mal ungeheuerlich.

     

    Lasst euch nicht für neoliberalen Bockmist missbrauchen.

  • A
    aurorua

    Wieder so ein Grüner Spinner, jeder Cent an Banken, Versicherungen, Reiche und Superreiche sowie ihre Handlanger die Politiker ist weg geworfenes Steuergeld.

    Wären diese Milliarden zweckgebunden, also für Infrastrukturmaßnahmen, Bildung, Schaffung von anständig bezahlten Arbeitsplätzen, Stärkung der sozialen Sicherungssysteme in Europa, so wäre kein Cent zu Schade. Aber die Milliarden landen bei Ausbeutern und Heuschrecken um dann z.B. in die Schweiz, nach London oder sonst wohin geschafft zu werden, derweil die Politkasper tatenlos und gegen die Bevölkerung mitagieren.