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Archiv-Artikel

Coffeeshop ohne Dealer

DROGEN IM GÖRLITZER PARK

In einer Folge der preisgekrönten HBO-Serie „The Wire“, die sich um Drogenhandel, Händler und Polizei in Baltimore dreht, wird ein Stadtteil zu einer Art Freihandelszone für Drogen. Der Polizeichef setzt das durch, indem er Fakten schafft, ohne Rückendeckung von oben. Eine Folge von „Hamsterdam“ (in Anlehnung an Amsterdam): Die Kriminalitätsrate sinkt, weil die Dealer nicht mehr verfolgt werden.

Genau darin liegt der Unterschied zu dem Vorschlag, den die Grüne Monika Herrmann diese Woche für Kreuzberg konkretisiert hat: In „The Wire“ geht es um Zonen, in denen der nach wie vor illegale Handel toleriert wird, was eine Perspektive für die Dealer bedeutet. Ein Coffeeshop jedoch, wie er Herrmann für den Görlitzer Park vorschwebt, legalisiert Handel und Konsum von kleineren Mengen Cannabis. Man kann sich vorstellen, wie streng die deutschen Behörden das überwachen würden.

Und genau hier liegt ein Problem. Denn das Anliegen, den Görlitzer Park für Anwohner und Kinder durch einen Coffeeshop wieder zu entspannen, ist zwar nachvollziehbar, aber an den Dealern selbst, größtenteils Flüchtlingen, von denen wiederum der größte Teil keine gültigen Papiere haben dürfte, geht der Vorschlag vorbei. Die illegalisierte Szene, die in Deutschland überhaupt nicht arbeiten darf, würde entweder anderswohin verdrängt – oder die Verdienstmöglichkeit, die viele Dealer nicht freiwillig ergriffen haben, fiele völlig weg.

Das Experiment „Hamsterdam“ wird in „The Wire“ recht radikal durchexerziert: Wie reagiert die Gesellschaft? Auf wen hat die faktische Legalisierung welche Auswirkungen? Keineswegs alle sind positiv – und vielleicht kann man das bei einer Neuerung auf einem international so hart umkämpften Gebiet wie der Legalisierung von Drogen auch nicht erwarten.

Immerhin: Anstelle einer fortwährenden polizeilichen Repression geht Herrmanns – für eine Bürgermeisterin zweifellos mutiger – Vorschlag in die richtige Richtung. Und möglicherweise hat sie das beschriebene Problem auch bedacht. Denn sie schlug parallel vor, im besetzten Schulhaus in der Reichenberger Straße ein Flüchtlingsberatungszentrum einzurichten. Das würde die Probleme von Papierlosen zwar nicht lösen, aber es wäre immerhin ein Anfang.

PATRICIA HECHT