piwik no script img

Coaching für Frauen"Sie trauen sich nichts mehr zu"

Nach zwanzig Jahren wieder zurück in den Beruf? Das ist nicht einfach, aber es geht. Die Organisationsberaterin Anne Ebeling hilft Frauen dabei, neue Stärken zu entdecken.

ZÜRUCK IN DEN JOB

BGH-Urteil: Geschiedene Mütter müssen mit dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes arbeiten gehen, wenn es eine Kinderbetreuung gibt. Sie können seltener auf Unterhalt vom Exmann hoffen.

Beratung: Die Koordinierungsstelle Frau und Beruf in Niedersachsen bietet das Coaching an. Ähnliche Kurse gibt es auch in anderen Bundesländern. (sis)

Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Ebeling, der Bundesgerichtshof hat erneut klargestellt, dass geschiedene Frauen nicht mehr in jedem Fall auf Unterhalt von ihrem Exmann hoffen können, sondern arbeiten müssen. Sie coachen Frauen, die nach einer langen Auszeit wieder in den Beruf zurückwollen. Wer kommt zu Ihnen?

Anne Ebeling: Mehr als die Hälfte der Frauen sind Akademikerinnen, die anderen sind gut ausgebildet, häufig in kaufmännischen Berufen. Schlecht qualifizierte Frauen kommen selten.

Mit welcher Motivation kommen die Frauen?

Bild: privat
Im Interview: ANNE EBELING

55, ist Arbeitswissenschaftlerin und selbstständige Organisationsberaterin in Hannover. Sie bietet Coachings für Frauen an, die wieder zurück auf den Arbeitsmarkt wollen.

Sie wollen prüfen, was überhaupt geht. Die zieht es nämlich gar nicht zurück in den erlernten Beruf. Viele sind so lange raus - bis zu zwanzig Jahre -, dass sie wenig Hoffnung haben, in ihren alten Job zurückzukönnen. Nicht wenige haben durch die Familienphase andere Interessen entwickelt und wollen jetzt etwas Soziales oder Kreatives machen.

Welche Probleme haben Frauen, die lange nicht erwerbstätig waren?

Ihnen fehlt häufig der technische und organisatorische Anschluss. Das Hauptproblem aber ist Mangel an Selbstwertgefühl; die Frauen trauen sich nichts mehr zu. Manche erleben das schon nach drei, vier Jahren.

Woran liegt das?

Für Hausarbeit und Kindererziehung gibt es kaum positive Rückmeldungen. Viele Frauen sind zwar ehrenamtlich tätig, sie gründen Elterninitiativen oder engagieren sich in der Kirche. Dort bekommen sie auch Bestätigung, aber sie müssen nichts beweisen.

Welche Chancen haben solche Frauen auf dem Arbeitsmarkt?

Je länger die Frauen aus dem Job sind, desto schwieriger wird es, vor allem wenn sie älter sind. Ab Mitte 40 ist es ja generell schwer auf dem Arbeitsmarkt. Wenn dann noch eine lange Auszeit dazukommt, wird es richtig kompliziert.

Was kann Ihr Coaching daran ändern?

Die Frauen erkennen alte Fähigkeiten wieder oder entdecken neue. Viele orientieren sich nach der Familienphase auf soziale Berufe, zum Beispiel in der Altenpflege.

Altenpflege ist eine Frauendomäne und schlecht bezahlt. Können Sie das unterstützen?

Ich mache keine Jobvorschläge, ich unterstütze die Frauen darin, zu sehen, wo ihre Stärken liegen. Erst neulich hatte ich wieder so einen Fall: Eine Kauffrau, die zwanzig Jahre raus war und früher nie etwas mit Computern zu tun hatte. Sie traut sich jetzt auch nicht zu, das nachzuholen. Also schwenkte sie um auf Altenpflege und macht dort jetzt eine Ausbildung.

Wie bauen Sie die Frauen auf?

Im Seminar arbeite ich mit der Methode der sogenannten Kollegialen Beratung. In der Gruppe werden Lösungen für die individuellen Probleme der Frauen entwickelt. Und sie bekommen Hausaufgaben auf, sie sollen beispielsweise ein Erfolgserlebnis aufschreiben. Das muss nichts aus dem Berufsleben, sondern kann eine Kleinigkeit sein.

Und so eine Kleinigkeit hilft weiter?

Ein Beispiel: Eine Frau bekommt eine verbrannte Pizza. Isst sie die und ärgert sich oder lässt sie sie zurückgehen? Wir analysieren gemeinsam, welche Stärken sie in einer solchen Situation bewiesen hat. Am Ende des Seminars hat jede Frau eine lange Liste mit Dingen, die sie gut kann. Eine andere Methode ist der Elevator Pitch, das Fahrstuhlprinzip: Die Frau lernt in kurzer Zeit, auf den Punkt zu bringen, wer sie ist, was sie kann und wo sie beruflich hinwill. Damit ist sie vorbereitet auf Gespräche mit potenziellen Arbeitgebern.

Das klappt?

Ja. Wir üben auch Networking. Die meisten Frauen müssen lernen, Leute über Netzwerke anzusprechen. Darin liegt eine große Chance, einen Job zu bekommen.

Wie sieht Ihre Erfolgsquote aus?

Schätzungsweise 40 Prozent der gecoachten Frauen bekommen einen Job. Darunter sind auch 400-Euro-Jobs.

Heißen Sie die gut?

Ich vermittle den Frauen, dass ein Mann keine Lebensversicherung und ein 400-Euro-Job keine Basis ist, um finanziell unabhängig zu sein. Wenn eine Frau aber einen solchen Job annimmt, dann ist das ihre Entscheidung und möglicherweise ein Einstieg.

Wie sieht es im Privatleben der Frauen aus: Ändert Ihr Coaching auch da etwas?

Manche Frauen berichten schon während des Seminars von Problemen zu Hause, weil sie jetzt nicht mehr nur für die Familie da sein wollen. Da bekommt der 18-jährige Sohn nicht mehr jeden Tag sein warmes Mittagessen und der Mann keine gebügelten Socken. Die Rollen innerhalb der Familie müssen neu verteilt werden. Das bietet allen Beteiligten neue Chancen, aber macht vielleicht auch Angst.

Was raten Sie Frauen, die eine Familie gründen und die ganze Problematik noch vor sich haben?

Ganz klar: am Ball zu bleiben und während der nicht allzu langen Elternzeit den Kontakt zur Firma zu halten.

Können auch Männer bei Ihnen etwas lernen?

Natürlich, ich coache auch Männer. Bei ihnen geht es in der Regel aber um eine berufliche Neuorientierung, wenn die Lust im Job nicht mehr da ist oder wenn Arbeitslosigkeit droht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • J
    JessicaT.

    Ich habe für 2 Bildungsträger als diplomierte Sozialpädagogin gearbeitet und ich weiss, dass in solchen Maßnahmen keinerlei Inhalte geboten werden. Hier findet auch keinerlei ernsthafte Qualifikation statt!

     

    Es geht hier nur darum, die Leute aus der Statistik zu holen. Das ist nicht mehr als ein peinlicher Versuch. Obendrein verdienen die Dozenten einen Hungerlohn.

     

    Niemand kommt in das Berufsleben zurück, weill er wild bei diversen Firmen als Gratissklave in Praktika tätig wird und sich in der Maßnahme oberflächlich mit verschiedensten Tätigkeiten beschäftigt. Das hat doch alles nichts mit Qualifikation zu tun. Ein Teil ist völlig demotiviert und weiss, dass diese Maßnahmen überflüssig sind und der andere Teil tut mir leid, weil sie denken, man käme so in Arbeit.

     

    Und die Träger freuen sich, immer weitere Zweigstellen eröffnen zu können...Pfui. Ich bin da zum Glück seit einem halben Jahr raus und habe mir einen anderen Job gesucht. Ich bin SozPäd geworden, um Menschen zu helfen und nicht, um sie zu bevormunden, zu überwachen und als Spitzel für die Jobcenter zu arbeiten.

  • C
    Coachingfrau

    Sowohl die Interviewerin (das merkt an an den Fragen "heißen Sie das gut" u.ä.) als auch besonders die Kommentaroren hier sollten sich mal darüber informieren was Coaching eigentlich bedeutet!!

     

    Es bedeutet nämlich nicht, dass man jemanden wie einen Fußballer trimmt bestimmte Dinge zu tun und zu gehorchen. Vielmehr geht es darum durch Fragen und die Ermöglichung von Übungs(Vorstellungs-)situtationen der Person weiterzuhelfen. Ein/e Coach ist jemand der einen Prozess gestaltet und nicht die Inhalte. Wenn jemand ein Coaching macht, dann macht er das aus eigener Motivation und muss das auch selbst bezahlen. Was er letztendlich ändert liegt in ihm/ihr selbst. Der/die Coach sorgt lediglich dafür auch mal Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und ermöglicht der Person so ihr Problem selbst zu lösen.

     

    Es hilft niemandem weiter zu wissen wie der Karren in den Dreck gekommen ist (also warum z.B. jemand beruflich ausgestiegen ist und warum er/sie das nicht vorhersehen konnte oder wollte) sondern die Frage ist ja WIE man den Karren aus dem Dreck gezogen bekommt und genau dafür ist ein Coaching ein gute Möglichkeit.

  • 1
    1990

    ach je, die armen frauen. ich kanns nicht mehr hören. wer heute 40 ist, war 1990 zwanzig. und da konnte frau bereits wissen, dass erwebsarbeit nicht der figur schadet. da war die frauenbewegung nämlich auch schon 20 jahre alt. wer 1990 noch einem gestrigen familienbild aufgesessen ist, verdient kein mitleid, sondern ist für seine unselbständigkeit ganz allein zusträndig.

  • EO
    ebeling opfer

    ebeling coacht jeden, der ihr genug kohle reinschiebt. arbeitsplätze gibt trotzdem keine!

  • N
    NormalBürger

    "Da bekommt der 18-jährige Sohn nicht mehr jeden Tag sein warmes Mittagessen und der Mann keine gebügelten Socken. "

     

    Sie können es nicht lassen, Frau Schmollack.

    Zum hunderttausendsten Mal: Die Frau wurde niemals zu etwas gezwungen, schon gar nicht von Männern. Sie hat es immer freiwillig getan, was sie getan hat. Wenn durch ein Coaching in >wasauchimmer< eine Veränderung eintritt, dann ist das nix anderese als eine Gehirnwäsche. Warum hat die Frau da nie vorher mal was gesagt? Warum erst nach so einem "Seminar"??

    Es bleibt wie immer bei Ihrem Schluß, Frau Schmollack: "Die Frauen wurden immer unterdrückt, wenn auch unbewusst, von Männern, nun ist es Zeit dass die Männer sich ändern und ihre Socken selber bügeln.(Mal davon ab: Wer bügelt Socken?). Punkt.

  • GH
    Gegen Hartz

    Jaja,

     

    alles im Rahmen einer Sinnlosmaßnahme. Sozialbearbeitungs-, Druck- und Zwangs-Maßnahmen. Aber dringend benötigte handfeste Qualifikation gibts weder für Jung noch Alt.

     

    Zitat:

    "Schätzungsweise 40 Prozent der gecoachten Frauen bekommen einen Job. Darunter sind auch 400-Euro-Jobs."

     

    Wie hoch genau ist der Anteil der 400€-Jobs? 60, 70%, 80,90%? Wieviel hätten so einen Job auch ohne das "Coaching" bekommen? Wieviele der Frauen können ihren Lebensunterhalt von diesen Jobs allein begleichen? Sind die Frauen durch HArtz4 weiterhin ihren Bürgerrechten durch Hartz4 beraubt?

     

    Was kostet dieses Coaching den Steuerzahler? Was würde eine richtige Qualifikation, sprich Aubildung kosten? Um wieviel höher ist hier die Chance, dauerhaft auf dem ersten Arbeitsmarkt zu landen?