Coach über Krise im Eisschnelllauf: „Viel Veränderung nötig“

Shorttracktrainer Leon Kaufmann-Ludwig erklärt, was trotz einiger Bedenken für Matthias Große als Eisschnelllauf-Präsidenten spricht.

Shorttracker Kaufmann-Ludwig in der Kurve des Eisovals

Bis vor Kurzem Athletensprecher der Shorttracker: Leon Kaufmann-Ludwig 2015 auf der Bahn in Dresden Foto: Camera 4/imago

taz: Herr Kaufmann-Ludwig, am kommenden Freitag wird der umstrittene Berliner Immobilienunternehmer Matthias Große mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Frankfurt am Main zum Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft gewählt. Wie beurteilen Sie das bisherige, recht umfangreiche Maßnahmen-Paket von ihm?

Leon Kaufmann-Ludwig: Matthias Große hat zum Anfang seiner kommissarischen Amtszeit einige für uns Athletensprecher umstrittene, inzwischen aber auch einige sinnvolle Entscheidungen getroffen. Gut und wichtig war es, dass er sich bald mit den Athleten getroffen und sich ihrer Probleme angenommen hat. Es war auch wichtig, dass ich gemeinsam mit Aktivensprecher Moritz Geisreiter die Möglichkeit hatte, den offenen und direkten Diskurs mit ihm zu starten. Durch die versprochenen Sponsoren werden außerdem künftig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die in den vergangenen Jahren an einigen Stellen fehlten und – sofern richtig eingesetzt – jetzt einige Türen öffnen können.

Also alles gut?

Die bisherigen Maßnahmen sind aus meiner Sicht bisher nur ein Anfang der notwendigen Umstrukturierungen und Veränderungen, die wir seit vielen Jahren gefordert haben. Daher ist es für mich nun noch zu früh, Bilanz zu ziehen.

24, war bis vor Kurzem Athletensprecher für die Shorttracker und tritt demnächst eine Stelle als Assistenztrainer in diesem Bereich an.

Sie galten durchaus als Kritiker des neuen, vorsichtig gesagt etwas hemdsärmeligen Präsidenten, treten nun aber einen kürzlich ausgeschriebenen Posten als Assistenztrainer im Shorttrack an. Wie kam es zu diesem – für Außenstehende möglicherweise widersprüchlichen – Schritt?

Die Gespräche zwischen mir und dem Verband über eine mögliche Anstellung als Assistenztrainer sind bereits unmittelbar nach meinem Karriereende im Mai dieses Jahres angelaufen, einige Zeit bevor Matthias Große zum kommissarischen Präsidenten kooptiert wurde. Diese Gespräche waren schon im Mai sehr positiv und sind nun auf dieser Basis mit Matthias Große und seiner Generalbevollmächtigten Nadine Seidenglanz weitergeführt und erfolgreich abgeschlossen worden. Wir haben in den Gesprächen schnell festgestellt, dass wir eine große Übereinstimmung in unseren sportlichen Vorstellungen und Zielen sehen und eine Zusammenarbeit daher auf guten Füßen stehen kann.

Sie sehen also keinen Widerspruch?

Nein, für mich ist dieser Schritt per se nicht zwingend widersprüchlich. Sportliches und Sportpolitisches sind für mich verschiedene Themen, die separat betrachtet werden sollten. Auch wenn Matthias Große und ich bei einigen Themen anderer Meinung waren und es möglicherweise weiter sein werden, ist es wichtig, sich einem konstruktiven Diskurs zu stellen. Dabei haben wir schnell erkannt, dass wir das gleiche übergeordnete Ziel haben – die sportliche Lücke zu den Top-Nationen der Welt zu schließen und den deutschen Shorttrack langfristig international konkurrenzfähig zu machen. Das war bereits mein Ziel als aktiver Sportler und als Aktivensprecher – und das ist es nun auch als Assistenz-Bundestrainer.

Trotz der Bemühungen von Matthias Große, auch Skeptiker mitzunehmen bzw. einzubinden: Ordnet sich der Verband nicht auf Gedeih und Verderb einer einzigen Person unter?

Im Sport wird man am Erfolg gemessen. Das gilt für die Aktiven, die Trainer und auch für die Funktionäre. Matthias Große ist nach meiner Kenntnis bislang der Einzige, der sich bereit erklärt hat, als Präsident zu kandidieren. Es ist wahrlich keine dankbare Aufgabe, die Verantwortung in diesem Verband zu diesem Zeitpunkt zu übernehmen, daher ist verständlich, dass sich nicht viele Leute um diese Aufgabe reißen. Insofern verdient seine Kandidatur zunächst mal Respekt. Bei der Wahl wird sich zeigen, ob die Mitglieder ihm, seinem Konzept und seinen Versprechungen vertrauen. Ich denke, in den kommenden Wochen und Monaten werden noch einige Veränderungen auf den Verband zukommen, an denen der Erfolg von Matthias Großes Maßnahmen gemessen werden kann. Er wird die Verantwortung dafür übernehmen müssen. So oder so.

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