Claus Weselsky auf dem taz lab: Muss das wirklich sein?

Die Gewerkschaft der Lokführer macht vor, wie man streikt: Selbstbewusst, konsequent, meistens kompromissbereit.

Claus Weselsky im Interview mit Anja Krüger und Pascal Beucker in einer Videokonferenz

Ein Denkmal für Weselsky? Er findet, das stehe schon – durch rückgratstarke Interessenvertretung

Unter dem Veranstaltungstitel „Muss das wirklich sein?“ stellte sich Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), den kritischen Fragen zu seiner Führung der Streiks in selbstbewusster und überzeugter Haltung. Die Moderation der Veranstaltung übernahmen die taz-Wirtschaftsredakteurin Anja Krüger, und der taz-Inlandsredakteur Pascal Beucker.

taz lab, 03.05.2022 | Seit 2008 ist Weselsky Vorsitzender der Gewerkschaft, trat aber bereits 1990 in die GDL ein. Er erinnert sich an eine erste zentrale Streikmaßnahme im Sommer 1990, als es im Zuge der Währungsunion darum ging, die Löhne der Reichsbahn-Lokomotivführer im Verhältnis 1:1 oder 2:1 umzurechnen. Er betont an dieser Stelle das einfache Anliegen der GDL: „Arbeits- und Einkommensbedingungen zu verbessern“.

Der inhaltliche Schwerpunkt der Fragerunde richtete sich auf vier Aspekte. Zuerst: Tarifeinheit. Obwohl Beucker Einwände zugunsten des Tarifeinheitsgesetzs anbrachte, machte Weselsky die Anti-Haltung der GDL unmissverständlich deutlich.

Den Satz, in einem Betrieb solle es einen Tarifvertrag geben, stempelt er als frech ab. Er argumentiert, dass „in einer Gesellschaft, die auf Wettbewerb und Konkurrenz fußt, das auch im Betrieb so sein solle.“

Streiken trotz Notlage?

Auf die Frage von Anja Krüger, ob denn der Streik zur Coronakrise wirklich sein musste, erwidert Weselsky nonchalant: „Der Zeitpunkt war genau richtig, taktisch und strategisch genau festgelegt.“

Auf die Frage nach dem Grund für den Konflikt zwischen der GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) reagiert Weselsky zunächst humorvoll: „Die Zeit reicht dafür nicht aus, das hat eine lange Geschichte.“ Er kritisiert einige Entscheidungen der EVG scharf und schließt auf diese Weise eine gemeinsame Zukunft weiterhin aus.

Ein Denkmal für Weselsky

Anja Krüger spricht Weselsky zuletzt auf die starke öffentliche Kritik seiner selbst an. Weselsky beteuert dabei: die Kritik würde nicht mehr an der Sache verübt werden, sondern an ihm als Person. Das würde menschlich sehr wohl dazu führen, dass er seine Haltung überprüfe.

„Das allerdings nicht am Maßstab der Presse, sondern an seinen Mitgliedern“. Sein erlebtes Fazit lautet außerdem: „Der veröffentlichte Hass ist nicht gleichzusetzen mit dem öffentlichen Hass.“

Claus Weselsky stellt die bisherigen Erfolge der GDL heraus und unterstreicht trotzdem, dass sich noch einiges ändern muss. Das sei auch der Grund dafür, dass er seine Kandidatur bis Herbst 2024 verlängert habe. Dabei sei „ein Tarifkonflikt für 2023 vorprogrammiert.“ Das prognostiziert Weselsky aber nicht aus egomanen Gründen - sein Denkmal würde bereits stehen, weil er mit Rückgrat für die Interessen der EisenbahnerInnen einstehe.

Ein Text von Helena Schubert aus dem taz-lab-Blogger:innenteam.